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Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

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1968 Schnürsenkel<br />

bende Generalmusikdirektor des Leipziger Gewandh<strong>aus</strong>orches-<br />

ters. 19 Es ist doch seltsam, wie im Unbewußten in den Gehirn-<br />

zellen gesucht und dann auch das Gesuchte gefunden und im<br />

engen Hirnkasten ungerufen projiziert wird wie ein Lichtbild.<br />

Selbst die bemerkenswert gute, tiefschwarze Druckfarbe wurde<br />

deutlich. Wie sich solche Eindrücke nur 35 Jahre erhalten kön-<br />

nen, das bleibt dunkel. Und welche Unmasse gemerkten Ge-<br />

rümpels trägt man in seinem Hirnkasten herum! Gesichter, Hal-<br />

tungen, Stimmen, Landschaften, Kunstgebilde – wer da Inven-<br />

tur machen wollte, käme lange nicht zu Ende. Was da alles in<br />

dieser „Merkei“ gespeichert ist! denn Kartei kann man nicht sa-<br />

gen, weil dazu großer Raum nötig wäre.<br />

12. Dezember<br />

Ob einer, falls er meine <strong>Briefe</strong> durchleuchtet, erleuchtet ist,<br />

wird von ihm selber abhängen. Daß solche Manipulationen<br />

überhaupt vermutet werden, ist ein übles Zeichen.<br />

18. Dezember<br />

An Erika schick ich noch eine Kopie des Bildes <strong>aus</strong> einem<br />

älteren Geschichtsbuche der Stadt Dresden 20 , auf dem meine<br />

Mutter, also Karins Ururgroßmutter und deren Mutter, ihre Ur-<br />

ururgroßmutter zu sehen sind. Meine Mutter war damals 1871<br />

noch nicht ganz elf Jahre alt und hatte beim Einzuge des säch-<br />

sischen Kronprinzen, am 11. Juli 1871, diesen mit Gedicht und<br />

Lorbeerkranz zu begrüßen. Hoffentlich kommt mein Brief in<br />

Nürnberg an. Es könnte sich jemand aufregen, weil Fahnen und<br />

19 Dieser hieß <strong>Arthur</strong> Nikisch (1855–1922).<br />

20 Das alte Dresden. Bilder und Dokumente <strong>aus</strong> zwei Jahrhunderten, gesammelt und<br />

hrsg. von Erich Haenel und Eugen Kalkschmidt, München 1925. Das Bild auf S.<br />

285, ein Gemälde von Friedrich Wilhelm Heine, trägt die Unterschrift „Einzug des<br />

Kronprinzen Albert mit den siegreichen sächsischen Truppen am 11. Juli 1871“, s.<br />

auch <strong>Briefe</strong> vom 13. Juli 1961, 23. Dezember 1964, 4. Januar 1969.<br />

Uniformen und Helmspitzen auch zu sehen sind. Die Botenfrau<br />

wäre mir lieber.<br />

20. Dezember<br />

Um ein paar lange, braune Schnürsenkel zu kaufen, be-<br />

suchte ich – zuletzt <strong>aus</strong> wissenschaftlicher Neugier – gestern<br />

drei Läden, bis sie ganz unerwarteter Weise zu kaufen waren.<br />

Ein „Kauflustiger“ wird zu einem „Lauflustigen“; die Zivilisation<br />

hindert die Weiterentwicklung zu einem „Rauflustigen“ oder zu<br />

einem „Sauflustigen“, was durch<strong>aus</strong> denkbar wäre. Die christli-<br />

che Erziehung zur Geduld – „Harre, meine Seele“ 21 und derglei-<br />

chen – hat also doch bis heute nachklingende Erfolge gebracht.<br />

Wer wird dieses „Kulturerbe“ vergessen!<br />

21 Geistliches Lied (19. Jh.), Melodie: César Malan, Text: Friedrich Räder.<br />

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