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Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

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1967 Buchhändler Langner<br />

sammler viel Zeit brauchen, <strong>aus</strong> dem reichhaltigen Angebot der<br />

bunten Papierschnitzel zu wählen. Telephonieren nach Döbeln<br />

ist am Schalter zu bestellen, dann muß man sich beeilen, in<br />

der Zelle den Anschluß nicht zu verpassen. Will man dann den<br />

Postminister mit einem Citat <strong>aus</strong> Goetz von Berlichingen begrü-<br />

ßen, ist der im Urlaub. (Da heißt es „im“, nicht am!)<br />

11. Oktober<br />

Raten möchte ich, sich in dem Gewi-Betrieb recht gescheit<br />

zu verhalten. So sehr ich die Haltung der Teilnehmer verstehe,<br />

es führt nur zur Selbstbeschädigung sich „heldenhaft“ zu be-<br />

nehmen, indem man da durch Widerstand auffällt. Hier gilt<br />

ganz besonders das „Bene vixit, qui bene latuit“ [Der hat gut<br />

gelebt, der sich gut verborgen hielt], in keiner Weise auffal-<br />

len und die Abneigung armer Leute zu provozieren, die mit<br />

der Gewalt <strong>aus</strong>gestattet sind, dem Schüler sehr empfindlich zu<br />

schaden. Äußerste Vorsicht und Zurückhaltung ist da allein am<br />

Platze. Das dürfte weniger schwer fallen, wenn man sich dar-<br />

über klar ist, sich nicht innerlich an Nebendingen zu ereifern,<br />

und seine Kraft für das Wesentliche zu schonen. Widerspruch<br />

ruft da nicht die Logik auf den Plan, sondern das Machtbe-<br />

wußtsein. Es ist sinnlos, mit Weidenruten gegen Gewehre vor-<br />

gehen zu wollen.<br />

13. Oktober<br />

Jetzt ist es 5 vor halb Zwölf nachts – ich komme eben von<br />

der Begegnung mit Herrn Langner, dem Buchhändler <strong>aus</strong> Dö-<br />

beln, der mich zu „einer Flasche Wein“ eingeladen hatte – es<br />

wurden ein paar Flaschen eines sehr guten ungarischen Weiß-<br />

weines, bei denen wir uns recht gut unterhalten haben. Seine<br />

Buchhandlung wird ab 1. Januar in eine „christliche Volksbuch-<br />

handlung“ umgewandelt, wobei er sich als deren Leiter nicht<br />

schlechter stehen wird, finanziell, als bisher. Und daß es ihm<br />

in dieser Hinsicht gut geht, ist zu spüren. Der Abend war recht<br />

interessant, denn der Mann sieht doch von seinem Berufe <strong>aus</strong><br />

gar mancherlei. Ganz abgesehen davon, daß er einen ganz in-<br />

teressanten Lebensgang hatte. Erst Gymnasium, Vater war Di-<br />

rektor der Straßenbahnen von Hagen im Ruhrgebiet, dann Han-<br />

delshochschule Leipzig, hierauf Eisengroßhandel, dann Buch-<br />

halter in der Seifenfabrik Schmidt in Döbeln, dann „Volontär“<br />

in einer Leipziger Buchhandlung, darauf Buchhändler in Dö-<br />

beln, wo er die zweifellos bedeutendste Buchhandlung entwi-<br />

ckelt hat, von der manche großstädtische lernen könnte. Denn<br />

so etwas gibt es nur selten. Daß er es sich leisten kann, wegen<br />

eines Gespräches mit mir, mit der Taxe von Döbeln hierher und<br />

zurück zu fahren, läßt den Schluß zu, daß er die Scheine nicht<br />

genau anzusehen braucht. Wir saßen im Löwen, weil der Rats-<br />

keller am Freitag bereits um 7 h abends seine Pforten schließt.<br />

Das wußte ich nicht, da meine Kneipenkenntnisse doch recht<br />

gering sind.<br />

17. Oktober<br />

Heute erhielt ich von dem Buchhändler H[errn] Langner <strong>aus</strong><br />

Döbeln zwei dicke Bücherkataloge und – leihweise – von Ina<br />

Seidel das Buch „Michaela“, das 1959 in Stuttgart erschien; ein<br />

Roman <strong>aus</strong> der Nazizeit, 950 Seiten stark. Es wird jedenfalls<br />

ganz interessant sein, zu lesen, was ein so begabter Mensch<br />

<strong>aus</strong> jener Zeit zu sagen hat. In einem Vorspruch warnt die Ver-<br />

fasserin, sich bei ihren Gestalten an reale Vorbilder zu halten;<br />

sie seien, wie die engeren Schauplätze und die Handlung, ent-<br />

sprechend dem zeitgeschichtlichen Hintergrund frei erfunden.<br />

Ich bin gespannt, ob ich dieses große Buch bewältige. Denn im<br />

allgemeinen hab ich nicht viel Lust, nachträgliche Auseinander-<br />

setzungen, mit der „großen Zeit“ zu lesen – ich kannte diese<br />

Größe zu gut, noch als sie erst im Begriffe war, sich aufzurich-<br />

ten und habe ab 17. März 1933 bis 1945 die eiserne F<strong>aus</strong>t zu<br />

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