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Sozialperspektivität : theoretische Bezüge, Forschungsmethodik und ...

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Kapitel 2<br />

Andere Autoren früher Studien zum False Consensus betrachten die Mehrheitsvermutung<br />

als nicht-veridikal, <strong>und</strong> zwar, psychoanalytisch inspiriert, als Projektion<br />

der für das Selbst unerwünschten Eigenschaften auf andere („disowning<br />

projection“ Fields & Schuman 1976:438; mit „dynamic interpretations“ Ross et<br />

al. 1977a:297; vgl. Kap. 2.1.3). Ein solches Verdrängungs-Projektions-Modell<br />

traut den Ergebnissen der metaperspektivischen Befragungen trotz ihrer egozentrischen<br />

Genese dann eine höhere prädiktive Validität zu als den in üblichen<br />

Meinungsumfragen ermittelten Selbstbildern. Wenn Metaperspektiven im Sinne<br />

der (psychoanalytischen) Projektionshypothese die persönlichen Einstellungen<br />

besser diagnostizieren lassen als die Antwort auf die Frage nach der eigenen Einstellung<br />

es zulässt, sollten sich entsprechende Unterschiede in Verhaltenskorrelationen<br />

zeigen lassen.<br />

Fields & Schuman (1976) diskutieren diese Überlegungen <strong>und</strong> präsentieren<br />

widersprechende Bef<strong>und</strong>e: Etwa ein Drittel der 1969 interviewten Amerikaner<br />

mit rassentoleranter Meinung bek<strong>und</strong>eten nach dem Interview, einen Appell gegen<br />

Rassendiskriminierung lieber doch nicht unterschreiben zu wollen (a.a.O.:435).<br />

Da sie aber während des Interviews keine konservativere Mehrheitsmeinungen<br />

vermutet hatten als verhaltenskonsequentere Tolerante, sei die Metaperspektive<br />

nicht prädiktiver als die Selbstaussage. Fields & Schuman (1976) vertreten innerhalb<br />

der Sozialwissenschaften die sog. psychologische (motivational-kognitive)<br />

Erklärung.<br />

Für die meisten Autoren ist das Verdrängungs-Projektions-Modell zusammen<br />

mit der Psychoanalyse aus der akademischen Forschungsliteratur verschw<strong>und</strong>en.<br />

In der angewandten Literatur taucht es jedoch immer einmal wieder<br />

auf (vgl. auch Kap. 2.2.4). So hat Fisher (1993) unter Bezug auf die in der Marktforschung<br />

weiterhin üblichen Projektiven Tests, anderen zugeschriebene Kaufentscheidungsmotive<br />

untersucht, um sie für eine Methode der indirekten Befragung zu<br />

nutzen. Da Personen sozial unerwünschte Beeinflussung bei sich selbst leugneten,<br />

empfiehlt er der Konsumentenforschung, Items zu sozial sensiblen Inhalten<br />

in der Dritten Person zu erfragen:<br />

„indirect questioning operates to mitigate social desirability bias … subjects projected<br />

their beliefs and evaluations when responding to indirect questions” (Fischer 1993:307).<br />

In drei Studien schildern Studierende die eigene Kaufentscheidung als wenig beeinflusst<br />

durch mögliche soziale Anerkennung der Bezugsgruppe66 , während für<br />

66 Zugr<strong>und</strong>e liegt das der Theory of Reasoned Action ähnliche Modell von Miniard & Cohen, in<br />

dem die Verhaltensintention auf das Erwartungs-mal-Wert-Produkt für persönliche <strong>und</strong> das<br />

für soziale Outcomes zurückgeführt wird. Die Erfassung der Bewertungskomponenten über<br />

Wichtigkeitsratings setzt voraus, dass nur Vorteile benannt werden. Die in seiner zweiten Studie<br />

berichteten Korrelationen <strong>und</strong> Regressionskoeffizienten – höhere für die dem typischen<br />

Studierenden zugeschriebenen sozialen Vorteile – sind dennoch kritisierbar.<br />

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