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Sozialperspektivität : theoretische Bezüge, Forschungsmethodik und ...

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Kapitel 2<br />

1990). Zwar versuchte sich auch der motivationale Erklärungstyp am Hindsight-<br />

Bias (soziale Erwünschtheit, Selbstdarstellung als intelligent <strong>und</strong> konsistent).<br />

Von Fishhoff war aber bereits eine kognitive Erklärung vorgebracht worden, die<br />

eine Veränderung der Gedächtnisspuren während der Ergebnisverarbeitung annimmt,<br />

sodass der Zustand vor der Erkenntnis überschrieben oder die Erinnerung<br />

zumindest reduziert ist. Modernere kognitive Erklärungen arbeiten mit den<br />

gleichen zum False Consensus besprochenen Zugänglichkeits- <strong>und</strong> Anker-<br />

Heuristiken bei der versuchten Rekonstruktion des eigenen Vergangenheitsempfindens.<br />

Perspektivsch formuliert, wird beim Hindsight-Paradigma im<br />

Ich-Hier-Jetzt System (Kap. 1.1) die Zeit variiert, man hat nicht die Perspektive<br />

einer anderen Person, sondern die eigene zu einem vergangenen Zeitpunkt zu<br />

übernehmen (eben: sich an sie zu erinnern). Im Ergebnis ist das vermutete ehemalige<br />

Sach- oder Selbstbild dem heutigen zu ähnlich:<br />

Pt-1[x] < Pt.P[x][Pt-1[x]] ≈ Pt[x] oder: Pt[Pt-1[P]] ≈ Pt[P]<br />

Interessanterweise kann von der Hindsight-Forschung sogar die These vertreten<br />

werden, dass das Erleben von Identität, mit seinem beeindruckenden Gefühl von<br />

zeitlicher Kontinuität <strong>und</strong> inhaltlicher Konsistenz nur eine auf den Rückschaufehler<br />

zurückführbare Illusion sei (,false consistency‘, M. Ross & Convey 1986<br />

z.n. Hawkins & Hastie 1990:320)!<br />

Ähnlich zu der Argumentation von Dawes (1989), im vermuteten Konsens<br />

zeige sich die bei unzureichendem Wissen rationale Induktionsstrategie (Kap.<br />

2.1.2), wird in der Hindsight-Literatur aber auch überlegt, ob in der (unzureichenden)<br />

Rekonstruktion eines vormals naiveren Wissenszustands die Nebenfolge<br />

adaptiven Lernens zu sehen ist:<br />

„…the three mechanisms that we believe are the primary sources of the bias – selective<br />

memory, evidence evaluation, and evidence integration model change – constitute the chief<br />

mechanisms for adaptive learning ... In a sense, hindsight biases represent the dark side<br />

of successful learning and judgment“ (Hawkins & Hastie 1990:323).<br />

In der Hindsight-Forschung wird nun nicht nur das retrospektiv einzuschätzende<br />

eigene Wissen oder die retrospektiv einzuschätzende vormalige Einstellung<br />

erfragt, sondern – im Typ der Bystander-Aufgaben – auch das bei Peers, die<br />

noch keine Ergebnisrückmeldung erhalten hätten, vermutete Wissen (z.B. Wood<br />

1978 z.n. Hawkins & Hastie 1990:314): der aktuelle eigene Wissensvorsprung<br />

wird auf unaufgeklärte Peers projiziert.<br />

„Whatever makes it difficult for one to imagine not having knowing something may also<br />

makes it difficult for one to imagine someone else not having that knowledge” (Nickerson<br />

1999:751).<br />

Umgekehrt wurde das Hindsight-Paradigma auch in der False Consensus Forschung<br />

eingesetzt. In der schon genannten, komplexen Studie von Sherman,<br />

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