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Sozialperspektivität : theoretische Bezüge, Forschungsmethodik und ...

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Kapitel 6<br />

Insofern könnte Luhmanns als konsenspessimistisch kritisierte Theorie sozialer<br />

Funktions-Systeme, die sich wie die Rollen in Abb. 3_27 gegenseitig stabilisieren,<br />

wenn innerhalb des jeweiligen Systems (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft,<br />

usw.) die eigene Geschlossenheit erkannt wird, im Gegensatz, zu einer<br />

friedlichen Koexistenz geradezu beitragen.<br />

In den empirischen Teilen der Arbeit standen wertende Meinungen, vor<br />

allem Bewertungen von Personen <strong>und</strong> ihren Beziehungen im Vordergr<strong>und</strong><br />

(sozialperspektivische Beziehungsdiagnostik); die Wertzuweisung, die den<br />

wichtigsten Anteil systemimmanenter Kodes auch bei Luhmann bildet, bietet<br />

auch im impersonellen Bereich wirtschaftlichen Handelns ein interessantes Feld.<br />

Werte in Austauschprozessen werden über Geldpreise vereinheitlicht, die<br />

Preiswahrnehmung ist eine wichtige Kompetenz des homo oeconomicus. Als<br />

Gegenstand der Sozialen Wahrnehmung (z.B. Realitäts-Illusion, Fischer 2002)<br />

verdient sie auch perspektivisches Forschungsinteresse. In Kap. 5.1.3 wurde<br />

über die von Händlern bei K<strong>und</strong>en vermutete hohe Preisrelevanz berichtet.<br />

Händler reagieren mit Sonderangeboten <strong>und</strong> Preisreduktionen, die damit<br />

mittelfristig notwendig verb<strong>und</strong>ene Qualitätsminderung in der Herstellung senkt<br />

den Preis, den K<strong>und</strong>en zu bezahlen bereit sind. Diese Pluralistic Ignorance wirkt<br />

parallel zur Abwärtsspirale von Preis <strong>und</strong> Qualität in Akerlofs Beispiel vom<br />

Auto-Gebrauchtwarenmarkt. Zum Misstrauen der K<strong>und</strong>en kommen die<br />

Vorurteile der Händler hinzu. Im Gebiet der Preisbildung lohnt sich eine<br />

akkurate Metaperspektive für alle Beteiligten, auf kollektiver Ebene könnten<br />

Marktanomalien eingedämmt werden.<br />

Mit dem Nachweis von direktperspektivischen Unterschieden liegt die,<br />

sowohl in pragmatischer als auch in forschungslogischer Relevanz wichtigste<br />

Vorarbeit bereits vor: der Endowment-Effekt (Thaler 1980, z.n. Kahneman,<br />

Knetsch & Thaler 1991) sagt, dass der Besitzer eines Gutes X dessen Besitz –<br />

ausgedrückt über den von ihm als angemessen angesehenen Verkaufspreis –<br />

höher bewertet, als das gleiche Gut einem potentiellen Käufer wert ist: B[x→$]<br />

> K[x←$]. Der angemessene Verkaufspreis beträgt in den meisten Studien etwa<br />

das Doppelte des Kaufgebots (Kahneman et al. 1991, bei Carmon & Ariel<br />

2000:362 ergaben sich sogar Preisspannen um über zehn).<br />

Die meisten Erklärungen dieses Effekts sind motivationalen Typs: Menschen<br />

bevorzugten generell den status quo (,status quo bias‘), Besitz werde als Selbst-<br />

zugehörig erlebt (,mere ownership effect‘, hier wird auf Heider verwiesen, z.B.<br />

Mandel 2002) <strong>und</strong> daher (mit Verweis auf Festinger, z.B. Hoch 2002)<br />

dissonanzreduzierend aufgewertet. Die prominenteste Erklärung motivationalen<br />

Typs liefert die Prospekt-Theorie, für die Kahneman & Tversky mit dem<br />

Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Als eine Erwartungs-mal-Wert-Theorie<br />

(subjective expected utility) lässt sie sich als Modell mit drei empirisch<br />

gewonnenen Zusatzannahmen umreißen (Hanneforth 2001:4ff, Wiswede<br />

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