05.10.2013 Aufrufe

Sozialperspektivität : theoretische Bezüge, Forschungsmethodik und ...

Sozialperspektivität : theoretische Bezüge, Forschungsmethodik und ...

Sozialperspektivität : theoretische Bezüge, Forschungsmethodik und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kapitel 3<br />

Beruflich-professionelle Beziehungen seien distanziert <strong>und</strong> neutral, mit ihrer<br />

rollenseligierten Thematik stehen sie dem Systemvertrauen näher, mit ihrem<br />

Anstoß Sozialer Identitäten dem transpersonalen Vertrauen. Und: „Vertrauensarten,<br />

die sich im Hinblick auf die zugr<strong>und</strong>eliegenden Dimensionen unterscheiden,<br />

lassen sich nicht zur gleichen Zeit maximieren“ (Gennerich 2000:68).<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> kontrastiert er den Ähnlichkeits- <strong>und</strong> Rollenerfüllungsansatz<br />

für die Berufsrolle des Pfarrers: Gewinnt ein Pastor das Vertrauen seiner<br />

Gemeindemitglieder über persönliche Sympathien, über Ähnlichkeitsdemonstrationen<br />

wie das gemeinsame Biertrinken? Oder ist zur Erfüllung der Rolle ein<br />

Verzicht auf das ,sich gemein machen‘ nötig, da das Vertrauen in die geistliche<br />

Führerschaft, in die Kompetenz der Verkündigung <strong>und</strong> der heiligen Amtshandlungen<br />

durch zu hohe Ähnlichkeit gefährdet wird? In Interviews werden<br />

beide Beziehungswünsche <strong>und</strong> Vor- <strong>und</strong> Nachteile ihrer Erfüllung deutlich<br />

(a.a.o.:111f). Gennerich unterscheidet in einem zweidimensionalen Raum elf<br />

Rollen des Pfarrers, darunter die angesprochenen des ,Evangelisten‘ oder<br />

,Führers ins Heilige‘ <strong>und</strong> andererseits des ,Kumpel oder Fre<strong>und</strong>s‘. In einer<br />

umfangreichen Befragungsstudie findet er das Vertrauen zum Pfarrer abhängig<br />

vom Erwartungs-mal-Wert-Produkt (Interaktion von Beziehungswunsch <strong>und</strong><br />

Beziehungswahrnehmung, in der hier gewählten Schreibweise also P[O] =<br />

P[O[x]] º P*[O[x]]). Die Genese des Beziehungswunschs wird einerseits über die<br />

Werthaltungen der Gemeindemitglieder, andererseits über bedarfsauslösende<br />

Lebenssituationen 16 hergestellt (Gennerich 2000:133). Wahrgenommene Ähnlichkeit<br />

<strong>und</strong> das ebenfalls perspektivisch operationalisierte Gefühl, verstanden zu<br />

werden, erweisen sich erwartungskonform nur für diejenigen Gemeindemitglieder<br />

als vertrauensförderlich, die den Beziehungswunsch „Fre<strong>und</strong>“ präferieren;<br />

bei denjenigen mit dem Beziehungswunsch „Evangelist“ wirkt sie vertrauensschädigend<br />

(a.a.O:156ff). Wird Ähnlichkeit hergestellt, kann die zur kompetenten<br />

Rollenausübung notwendige Distanz anschließend nicht mehr<br />

aufgebaut werden 17 – ein klassisches Dilemma jeglicher Professionalität.<br />

Diesem Ansatz folgenden, lässt sich die Genese des Beziehungswunsches<br />

von Nachfragern, Klienten oder K<strong>und</strong>en allgemeinpsychologisch vorhersagen:<br />

16 „Bei Problemen mit dem Gewissen, Glaubenszweifel <strong>und</strong> spirituellen Problemen wird der<br />

Pfarrer als Führer ins Heilige gewünscht, bei Sterben <strong>und</strong> Krankheit der Seelsorger ... , bei<br />

Problemen mit Partner, Familie, Erziehung, Dorf <strong>und</strong> Finanzen der Therapeut ... , bei<br />

Einsamkeit, Nieder-geschlagenheit <strong>und</strong> Berufsproblemen der Fre<strong>und</strong>...“ (Gennerich 2000:81).<br />

Hier lässt sich eine Rollenaufteilung wie in Abb. 3_27 modellieren.<br />

17 „Die Realisierung einer nahen Beziehung führt demnach zu einem späteren Zeitpunkt kaum<br />

zu distanten Beziehungswünschen, die dem Pfarrer ermöglichen würden, seine Handlungsfreiheit<br />

zur Gestaltung des Gemeindelebens zu optimieren. Nahe Beziehungen haben daher<br />

tendenziell den Charakter eines Fasses ohne Boden“ (a.a.O.:194). „Je mehr der andere auf eine<br />

persönliche <strong>und</strong> egalitäre Beziehungsgestaltung dringt, desto schwieriger wird es für den<br />

professionellen Akteur, eine Situation zu definieren, die den professionellen Erfordernissen<br />

gerecht wird“ (a.a.O:215).<br />

201

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!