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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Plötzlich, da der Wind umschlägt, kommt die Frau mit ihrem Boot wieder. Der Orang-Utan<br />

will sie wegschicken, doch er traut sich nicht recht. Statt dessen beginnt eine seltsame<br />

Rivalität zwischen diesem alten Rauk <strong>und</strong> dieser jungen Person um Wegel. Zwischen<br />

Wegel <strong>und</strong> der Frau aber beginnt sich – nach einer Beichte seines Vorlebens – ein<br />

Liebesverhältnis zu entwickeln; auch von Rauks Verbrechen, der Beraubung<br />

Schiffbrüchiger, erzählt Wegel ihr. Dennoch, Wegel scheint Rauk in beängstigender<br />

Weise untertan zu sein. Immer wieder stellt die Frau ihm, Wegel, <strong>und</strong> sich selber die<br />

Frage, wer von beiden denn der Herr sei. Und da sie schließlich spürt, wie die Gefahr<br />

wächst, <strong>und</strong> daß die Frage vielleicht zu ihren <strong>und</strong> Wegels Ungunsten entschieden wird,<br />

entschließt sie sich plötzlich, ohne den beiden Männern etwas zu sagen, mit ihrem Boot<br />

davonzufahren. Wegel, der währenddessen auf dem Leuchtturm war, muß argwöhnen,<br />

sein Kumpan habe die Geliebte weggejagt. Er stößt ihn deshalb nach einer<br />

Auseinandersetzung von der Plattform in die Tiefe. Doch da klingelt das Telefon: die Frau<br />

erklärt, sie habe nur durch eine polizeiliche Anzeige gegen Rauk dafür sorgen wollen, daß<br />

Wegel frei werde, nun werde sie mit der Polizei kommen <strong>und</strong> Wegel abholen, der Alte<br />

aber werde verhaftet. Wegel legt ohne Antwort den Hörer auf. Er wagt die Freiheit nicht<br />

mehr, er kann sie nun, nach dem Mord, erst recht nicht mehr wagen. So wirft er sich dem<br />

Toten nach – gleichfalls hinab von der hohen Plattform auf die Klippen. Auf dem<br />

menschenleeren Turm läutet unaufhörlich das Telefon. Aber keiner hört mehr.<br />

Bronnens Änderungen, die, wie Hoerschelmann erzählt, ohne Mitwirkung des Autors<br />

erfolgten, betreffen – außer nicht mehr genau nachweisbaren kleineren redaktionellen<br />

Retouchen am gesamten Dialog – zwei wichtige Punkte.<br />

Erstens: Hoerschelmann, der einen bew<strong>und</strong>ernswerten Scharfblick für exakte<br />

Konstruktionen besitzt, hatte in der Exposition sehr geschickt Rauk <strong>und</strong> Wegel allein<br />

vorgestellt, weil es ihm darum gehen mußte, erst einmal die wichtigste <strong>und</strong> komplizierteste<br />

Voraussetzung alles späteren Geschehens lebendig zu machen: das von Haß <strong>und</strong><br />

Bosheit genährte Verhältnis der beiden Männer. Die für beide ungewöhnliche Tatsache,<br />

daß irgend jemand, dessen Individualität vorerst noch gleichgültig bleibt, in ihre jahrelange<br />

Isolierung eingebrochen ist, löst glaubwürdig <strong>und</strong> zwanglos die gegenseitigen Vorwürfe<br />

<strong>und</strong> Quälereien aus, durch die wir einen Teil ihrer Vorgeschichte erfahren.<br />

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