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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Figuren in der Tragödie oder im klassischen Drama können als Verleiblichung von Ideen<br />

aufgefaßt werden.<br />

Gegenbeispiel: der bekannte alte Zauberspruch erzählt, daß einmal »idisi«, Zauberinnen,<br />

zusammensaßen, <strong>und</strong> was sie taten. Wer diesen Spruch vor sich hinflüstert, ruft – nach<br />

dem Glauben derer, die ihn erfanden <strong>und</strong> anwendeten – die Zauberinnen so intensiv, daß<br />

sie real werden <strong>und</strong> die Fesseln des Beschwörenden zu sprengen vermögen. Auf<br />

ähnliche Weise wirkt die Sprache auch im modernen Gedicht – etwa wenn es bei Eich<br />

heißt:<br />

Kannst du dich erinnern?<br />

Einmal warst du<br />

ein Boot in einem grünen Flusse,<br />

einmal hattest du die Füße eines Baumes,<br />

<strong>und</strong> du warst im Hafen der Erde verankert.<br />

Du mußt wieder stumm werden, unbeschwert,<br />

eine Mücke, ein Windstoß, eine Lilie sein.<br />

Der Unterschied, der hier beschrieben wird, ist der zwischen dem lyrischen, mehr<br />

magischen, <strong>und</strong> dem dramatischen, mehr dialektischen oder liturgischen Sprechen. Und<br />

obwohl in der heutigen Dichtung die Kategorien ineinander überzugehen <strong>und</strong> sich zu<br />

mischen pflegen, existieren die beiden Möglichkeiten der Sprache doch immer noch<br />

nebeneinander <strong>und</strong> wirken jede für sich formbildend.<br />

Mit der Einschränkung, daß er nicht wissenschaftlich, sondern ungeschützt-dilettantisch<br />

formuliere (eine Einschränkung, die ich schon wegen der notwendigen Kürze der<br />

Darstellung hier für mich gleichfalls in Anspruch nehmen möchte), unterscheidet z. B.<br />

Friedrich Dürrenmatt immer wieder zwischen der Idee, dem Gedanken, dem Geist<br />

einerseits <strong>und</strong> der Sprache andererseits. »Man kann nicht an der Sprache arbeiten,<br />

sondern nur am Gedanken, am Gedanken arbeitet man mit der Sprache. Der heutige<br />

Schriftsteller arbeitet oft an der Sprache, er differenziert sie. Dadurch wird es im Gr<strong>und</strong>e<br />

gleichgültig, was er schreibt.« – »Der Vorteil des Theaters gegenüber dem <strong>Hörspiel</strong> ...<br />

liegt darin, daß die Sprache nicht als das unmittelbare Medium, sondern als der<br />

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