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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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eigentlich nur halb zur Gattung gehören: <strong>Hörspiel</strong>e von Dramatikern, die nicht aus ihrer<br />

Haut können.<br />

Curt Langenbeck z. B. hat ein Stück hinterlassen, das sich bezeichnenderweise auch als<br />

Fernsehspiel bewährt hat: Die Füße im Feuer. In ihm geht es (nach C. F. Meyers Ballade)<br />

um eine mutige Auseinandersetzung mit der Schuld, eine, die vor dem inzwischen zum<br />

Gemeinplatz gewordenen Ruf nach »Aufarbeitung« kam <strong>und</strong> wirklich Selbstanklage war.<br />

Ein ganzes Arsenal von Kulissen <strong>und</strong> Requisiten spielt darin mit: ein Kamin, ein Bild, eine<br />

Spieluhr, ein Schrank, Lauscher an der Wand, eine Pistole, Wald in Sturm <strong>und</strong> Regen <strong>und</strong><br />

vor allem ein architektonisch höchst kompliziertes einsames Gutshaus. Es verrät das<br />

genaue Stilgefühl des Regisseurs Gert Westphal, daß er, noch ehe ein Wort aufklingt,<br />

eine alte Frau – die Beschließerin – minutenlang mit schlurfenden Schritten durch lange<br />

Flure, über Treppen <strong>und</strong> durch Türen gehen läßt, um den Hörer zuerst einmal an die<br />

kompakte dramatische Realität zu gewöhnen.<br />

Ein anderer, wohl gleichfalls berechtigter Gebrauch der Geräuschkulisse, als akustische<br />

»Spielastik« für den Darsteller im Inneren Monolog, wurde schon erwähnt: Gisela von<br />

Collande zittert höchst eindrucksvoll, wenn sie in Wellershoffs Sekretärin während ihres<br />

Selbstgespräches unter die kalte Dusche tritt. Ähnlich aber verwendet Schröder-Jahn den<br />

Kontrast zwischen innerem <strong>und</strong> äußerem Vorgang auch fast ohne Geräuschzutat in<br />

Meyer-Wehlacks Versuchung, wo er den Jungen, der eben aus dem Fluß steigt <strong>und</strong> sich<br />

beim Abtrocknen frierend schüttelt, gleichfalls temperamentvoll schwadronieren läßt.<br />

Solche mit etwas komischem Akzent verwendeten Realitätskontraste sind aber keine<br />

Beispiele, die Schule machen dürfen, sonst werden sie artistische Manier. Im allgemeinen<br />

gilt, daß alle realen Kulissengeräusche – Vogelgezwitscher als Andeutung von<br />

Waldeinsamkeit, trunkener Lärm <strong>und</strong> randalierende Musik als Rummelplatz oder Kneipe,<br />

Gebrabbel als Menschenansammlung, Verkehrslärm als Straße <strong>und</strong> ganz besonders<br />

Auto- oder Eisenbahngeräusche als Gr<strong>und</strong>ierung für Gespräche, die in diesen<br />

Fahrzeugen stattfinden – unerträglich sind.<br />

An diese Stelle gehört eine Beobachtung, die man als Einschränkung nehmen mag, die<br />

aber wiederum etwas sehr Wesentliches zeigt. In der Tat wirken reale Geräusche, die<br />

Szene <strong>und</strong> Raum oder gar bestimmte Gänge im Raum ausdrücken – z. B. Türen <strong>und</strong><br />

Schritte, die die sonst schwer darstellbare, realistische Annäherung einer sprechenden<br />

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