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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Greene. Aber auch bei den süddeutschen R<strong>und</strong>funkanstalten – mit den anfangs etwas<br />

schwerfälligeren Amerikanern <strong>und</strong> den etwas hochmütigeren Franzosen – ging es in der<br />

Ära der »Kontrolloffiziere« durchaus erträglich zu.<br />

Es wurden nirgends an untergeordneten Stellen so schwere Fehler gemacht wie mit jenen<br />

zentralen Besatzungsmaßnahmen: mit der unglaubwürdigen reeducation, die sich selbst<br />

bald rückgängig machen mußte, weil sie übers Ziel schoß, <strong>und</strong> mit der schablonenhaften<br />

Entnazifizierung, die die Kleinen strafte <strong>und</strong> die Großen laufen ließ. Der Historiker Schiller<br />

hat im Abfall der Niederlande (4. Buch, Albas erste Anordnungen) den Versuch einer<br />

Militärregierung, ein ganzes Volk unter Anklage zu stellen, seine Gründe <strong>und</strong><br />

Hintergründe, genau beschrieben; man lese dort zur Erinnerung nach. Natürlich waren die<br />

Geusen unschuldiger als wir, aber sie waren auch nicht, wie wir, geständig <strong>und</strong> willfährig.<br />

(Leider sind wir's nun nicht mehr.) Wahrscheinlich haben die Deutschen <strong>und</strong> hat die Welt<br />

durch die Fehler, die gemacht wurden, eine große geschichtliche Chance verpaßt.<br />

Da saßen die Millionen in Kälte <strong>und</strong> Hunger <strong>und</strong> warteten auf das, was man ihnen bieten<br />

würde. Es war ein anderes Warten als wenige Jahre vorher bei den nämlichen Menschen,<br />

als sie – zugleich fanatisiert <strong>und</strong> angstzitternd – auf die Unheilsankündigungen ihres<br />

Führers über alle Sender Europas gewartet hatten. Damals hatte es sich um Knechte<br />

gehandelt, jetzt lauschten Männer <strong>und</strong> Frauen, die – wie im Gr<strong>und</strong>e, wenn sie voller<br />

Einsicht sind, die Ohnmächtigen <strong>und</strong> Schuldigen stets – freier oder genauso frei waren<br />

wie die Selbstsicheren unter ihren Beherrschern.<br />

Man kann es dem R<strong>und</strong>funk nicht zum Vorwurf machen, daß diese Zeit keine frohe<br />

Botschaft wußte, die die Welt radikal erneuerte. Aber man muß es ihm hoch anrechnen,<br />

daß er, statt grollend abzurechnen <strong>und</strong> summarisch zu verurteilen, alles tat, sich selbst<br />

<strong>und</strong> seine Mittel zu verbessern <strong>und</strong> den Dienst zu leisten, den die unzähligen<br />

Verzweifelten von ihm erhofften.<br />

Ein umfassender, systematischer Aufbau erfolgte: man muß ihn als Antwort verstehen auf<br />

den Kredit, den Hilflosigkeit <strong>und</strong> Vertrauen dem R<strong>und</strong>funk notgedrungen <strong>und</strong> freiwillig<br />

entgegenbrachten. Personell nutzte die Institution, der vorläufig noch kein anderes<br />

Kulturinstrument oder Publikationsmittel konkurrierend gegenüberstand, ihre einzigartige<br />

Stellung, um sich die besten unter den jüngeren Kräften heranzuholen, sie lagen damals<br />

buchstäblich auf der Straße. Um wiederum mit Hamburg zu exemplifizieren: Peter von<br />

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