08.10.2013 Aufrufe

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

http://www.mediaculture-<strong>online</strong>.de<br />

Nun soll an dieser Stelle eine These gewagt werden, die in einer Zeit, in der die<br />

Stereophonie so viel gepriesen wird, waghalsig klingen mag. <strong>Das</strong> Statische ist das Wesen<br />

des <strong>Hörspiel</strong>s; <strong>Hörspiel</strong> gibt es vermutlich überhaupt nur durch die Unvollkommenheit <strong>und</strong><br />

Eindimensionalität seines akustischen Raums. Ist das eine totale Absage an die<br />

Stereophonie im <strong>Hörspiel</strong>?<br />

Wir können die Behauptung heute verhältnismäßig leicht nachprüfen, indem wir uns<br />

stereophonische <strong>Hörspiel</strong>versuche anhören. Damit in ihnen die Vorzüge der Stereophonie<br />

recht zur Geltung kommen, reproduziert man dabei Szenen, in denen die Plastik<br />

besonders evident wird – etwa aus dem Salzburger Jedermann. Die Gegenspieler<br />

dialogisieren aus liturgischer Distanz <strong>und</strong> stehen sich nun plötzlich im Raum vor uns<br />

gegenüber – im gleichen Raum, in dem wir uns befinden, genau zu lokalisieren: da links<br />

der eine, der andere dort rechts, aber beide unsichtbar wie unter einer Tarnkappe. Und<br />

nun wird die Sache wirklich gespenstisch: wir sitzen davor wie vor einer<br />

Guckkastenbühne, die wir nicht sehen, suchen verzweifelt mit den Augen, da links <strong>und</strong><br />

dort rechts, die begrenzenden Bühnenpfosten <strong>und</strong> fühlen uns durchaus nicht mehr – wie<br />

beim eindimensionalen Hören – mitten auf der Szene zwischen den Agierenden, im<br />

Schnittpunkt aller Spannungen, sondern sind in eine Distanz zur Handlung versetzt, die<br />

wir im <strong>Hörspiel</strong> bisher nicht kannten. <strong>Das</strong> gilt noch mehr als bei diesem statisch-<br />

distanzierten Sprechen zweier Schauspieler bei jedem Sprechen von Akteuren in der<br />

Bewegung, wobei körperlose Stimmen oder Klänge wie Fledermäuse vor uns im realen<br />

Raum hin <strong>und</strong> her zu schweben scheinen. So ergibt sich etwas wie ein realer Film ohne<br />

Bild, ein Gegenüber ohne Gegenüber. Und selbst wenn die Zuhörer bemüht sind, die<br />

gespenstische Unsichtbarkeit der sonst durchaus körperhaft wirkenden Vorgänge als<br />

neues Kunstmittel zu akzeptieren, dürften sie noch immer quälend die Sinn- <strong>und</strong><br />

Belanglosigkeit der äußeren realen Positionen empfinden, da es doch beim Lauschen auf<br />

Sprache <strong>und</strong> Sprachsinn eigentlich um innere Positionen gehen müßte.<br />

Denn eine Identifizierung von Außen <strong>und</strong> Innen durch Einbeziehung von Raum <strong>und</strong> von<br />

Gängen <strong>und</strong> Bewegungen in Sinnbezüge, so wie es in der Liturgie oder auf dem Theater,<br />

vor allem beim tragischen, geschieht, ergibt vermutlich ebenfalls keinen Ausweg – schon<br />

weil dafür das Auslöschen der Sichtbarkeit genau falsch wäre <strong>und</strong> keine neuen<br />

Möglichkeiten gegenüber dem sichtbaren Theater erbrächte. Mit Ausnahme vielleicht<br />

162

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!