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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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SPIRITUS RECTOR<br />

Findet in all diesen Analysen der Regisseur keinen Platz?<br />

http://www.mediaculture-<strong>online</strong>.de<br />

Er ist überall <strong>und</strong> in allem der Schiedsrichter. Er muß auf der Seite der Technik <strong>und</strong> des<br />

Worts zugleich stehen, aber noch mehr auf der Seite des Worts. Denn es wird von ihm<br />

verlangt, daß er sowohl etwas wie ein Mitwisser aller Absichten des Dichters ist als auch<br />

derjenige, der mit einer Art angenommener Naivität, aber gleichwohl mit kühlem<br />

Sachverstand, den Text überprüft, anfangs in seiner Phantasie, dann während der<br />

Realisierung: Anwalt des Autors <strong>und</strong> dessen erster Hörer <strong>und</strong> Kritiker in einem. Dabei<br />

erwägt er immerfort alle technischen Mittel <strong>und</strong> Möglichkeiten, die er kennt, ob sie nicht<br />

eine nützliche Funktion für die Verlautbarung des Textsinns übernehmen können, <strong>und</strong><br />

wählt entsprechend aus. <strong>Das</strong> Ohr ist sein wichtigstes Instrument. Die Technik aber besitzt<br />

in seiner Vorstellung <strong>und</strong> gewinnt durch seine Maßnahmen schließlich jene vermittelnde<br />

Wirkung beim Aufbau der Klanggestalt, in der sie sich selber dienend erhöht.<br />

Auch die Einstellung des Regisseurs muß insofern asketisch sein. Seine Situation ist<br />

anders als bei Theater <strong>und</strong> Film. Er enthält sich vollkommen aller spielerischen Zutaten<br />

<strong>und</strong> alles bloß Artistischen, darf nur das Spiel des Dichters treiben.<br />

Im Film hat der Regisseur den Autor abgelöst, ihn sozusagen aufgelöst, z. B. in die<br />

Funktionen der Ideengeber, Handlungskonstrukteure, Treatment- <strong>und</strong> Exposéschreiber,<br />

Manuskriptverfasser, Dialogformulierer usf. Auch im Theater entscheidet er viel aus<br />

eigener Freiheit, weil aus der konkreten Realität <strong>und</strong> aus der theatralisch-spielerischen<br />

Bilderfülle ein Bau mit großem Spielraum über der Wortbasis aufgeführt werden kann. Im<br />

<strong>Hörspiel</strong> aber sind alle Grenzen durch das Wort gezogen, es ist hier wie nirgends sonst<br />

die erste Macht gegenüber den anderen Mächten, die sich zurückhalten müssen, um nicht<br />

große Oper oder Geräuschsalat zu veranstalten.<br />

Der Regisseur Kurt Reiss ist in seiner frühen <strong>und</strong> mittleren Periode immer wieder zornig<br />

gegen diese Grenzen angelaufen, hat sie zu sprengen versucht. Im<br />

Quälend-»Pittoresken«, das dann entsteht, im Akustisch-Forcierten <strong>und</strong> »Überzogenen«<br />

verliert die Darstellung schnell den Kontakt zum Dargestellten <strong>und</strong> zum Wort <strong>und</strong> wird bis<br />

zur Unerträglichkeit verquält, prätentiös <strong>und</strong> »übergagt«.<br />

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