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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Selbstdarstellung drängt, sondern eher einer der vornehmen Handwerker, wie es sie unter<br />

den Musikern des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts gab, die mit Formen spielen – an welchen Objekten,<br />

in wessen Auftrag auch immer. So kam es zu der langen Reihe von <strong>Hörspiel</strong>en, etwa<br />

fünfzehn an der Zahl, von denen seit 1949 r<strong>und</strong> die Hälfte Repertoirestücke der deutschen<br />

<strong>und</strong> einige auch große Erfolge der ausländischen Stationen geworden sind. Gleichzeitig<br />

erwarb Hoerschelmann sich den Ruf, neben Max G<strong>und</strong>ermann der Meisterbearbeiter<br />

fremder Stoffe zu sein: Der veruntreute Himmel nach Werfel, <strong>Das</strong> W<strong>und</strong>er des Malachias<br />

nach Marshall, die mehrteiligen Sendungen nach Thackerays Jahrmarkt der Eitelkeit <strong>und</strong><br />

nach Simenons Passagier vom ersten November, ferner Der Spieler nach Dostojewski<br />

<strong>und</strong> viele andere Stücke müßten eigentlich Lehrbeispiele dramaturgischer Schulen sein,<br />

wenn es so etwas bei uns gäbe.<br />

Hoerschelmanns Bedeutung für das <strong>Hörspiel</strong> <strong>und</strong> seine Erfolge scheinen allem zu<br />

widersprechen, was in einfachen Faustregeln über das Wesen der <strong>Hörspiel</strong>kunst<br />

formuliert zu werden pflegt, schon deshalb, weil er nicht von der Lyrik herkommt. Was er<br />

darstellt – so sieht es wenigstens auf den ersten Blick aus –, sind psychologisch<br />

interessante Figuren <strong>und</strong> handlungsreiche <strong>Geschichte</strong>n mit viel Wirklichkeitsgehalt, die,<br />

beinahe altmodisch, nach den Regeln klassischer Abläufe gebaut sind. Also verkappte<br />

Novellen? Dazu haben die Gestalten zu viel Reales, sind zu aktiv, wollen selber reden,<br />

sich selbst durch ihr Wort bezeugen. Also verkappte Dramen? Dazu wieder sind<br />

Hoerschelmanns Menschen, obwohl sie sich oft einbilden, besonders weltgewandt zu<br />

sein, zu wenig Handelnde, zu sehr bloße Objekte des Schicksals, das sie in den Fängen<br />

hält, dazu spielt stets allzusehr ein geheimnisvolles »Es« mit, für das es an den Theatern<br />

keine Besetzung gibt.<br />

Ein »Es«? Erinnert das nicht an die Träume Eichs? In der Tat. Nur ist dieses »Es« bei<br />

dem Lyriker Eich seltsamerweise konkreter, wird fast – oder gelegentlich wirklich –<br />

z. B. im »Feind« des dritten Traums – zur leibhaften Schreckgestalt. Was aber ist es bei<br />

Hoerschelmann? Sehr viel realistischer <strong>und</strong> einfacher: die Fehleinschätzung der<br />

Wirklichkeit durch die Ahnungslosen, die die gefährliche Dynamik der Welt um sich<br />

verkennen <strong>und</strong> dann erleben, wie eben diese fremde, unpersönliche Dynamik gegen sie<br />

aufsteht <strong>und</strong> sie vernichten will. Es sind also – mit anderen Worten – nicht Menschen,<br />

Spiel <strong>und</strong> Gegenspiel, die sich wie im Drama auseinandersetzen, sondern es sind in den<br />

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