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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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genau an der entgegengesetzten Grenze liegen: da, wo religiöse <strong>und</strong> sonstige<br />

»Aussage«-Tendenzen so weit wie möglich zurücktreten.<br />

Es kann hier nicht der Ort sein, genau zu definieren, was das ist: Unterhaltung. Auch kann<br />

über die Gründe des symptomatischen Auseinanderfallens von Kunst <strong>und</strong> Kolportage<br />

nicht gesprochen werden. Nur die Bedeutung dieser Erscheinung für das <strong>Hörspiel</strong> ist zu<br />

untersuchen. Und dazu soll ein Zitat aus Goethe am Anfang stehen, der – bei Erörterung<br />

des Plans einer Lyrik-Anthologie für das breitere Publikum – folgendes sagt:<br />

»In solcher Sammlung gäbe es ein Oberstes, das vielleicht die Fassungskraft der Menge<br />

überstiege. Sie soll daran ihr Ideenvermögen, ihre Ahnungsfähigkeit üben. Sie soll verehren <strong>und</strong><br />

achten lernen, etwas Unerreichbares über sich sehen, wodurch wenigstens eine Anzahl<br />

Individuen auf die höheren Stufen der Kultur herangelockt würden. Ein Mittleres fände sich<br />

alsdann, <strong>und</strong> dies wäre dasjenige, wozu man sie bilden wollte, was man wünschte, nach <strong>und</strong><br />

nach von ihr aufgenommen zu sehen. <strong>Das</strong> Untere ist das zu nennen, was ihr sogleich gemäß<br />

ist, was sie befriedigt <strong>und</strong> anlockt.«<br />

Es muß wohl nicht ausdrücklich dargelegt werden, daß Goethe hier, ohne es zu ahnen,<br />

einen gewichtigen Einwand gegen die naheliegende <strong>und</strong> vielgeübte Methode vorbringt,<br />

die wir anwenden, wenn wir im R<strong>und</strong>funk dem Problem so verschiedenartigen<br />

Publikumsniveaus einfach aus dem Wege gehen, indem wir alles Vorhandene je nach<br />

Schwierigkeitsgrad in verschiedene erste bis dritte Programme hineinsortieren. <strong>Das</strong><br />

»Obere« erreicht dann die »Unteren«, die unter sich bleiben, nicht mehr, das Auf- <strong>und</strong><br />

Niedersteigen der Kräfte zwischen den verschiedenen Bildungsschichten <strong>und</strong> sozialen<br />

Schichten hört auf, die Gesellschaft wird als hoffnungslos zerspalten hingenommen. So<br />

wäre also zu fordern, daß, was im Theoretischen, Gedanklichen, Wissenschaftlichen wohl<br />

angehen mag (weil es da immer eine gewisse Esoterik geben wird), in der Kunst, <strong>und</strong> also<br />

auch im <strong>Hörspiel</strong>, zu unterbleiben habe.<br />

Nun wird man entgegenhalten, daß Goethe in einer glücklicheren Zeit lebte, die es auch<br />

darin leichter hatte. Von ihm bis zu seinem literarisch so erfolgreichen Schwager Vulpius<br />

mit seinen Räuberromanen war der Abstand nicht annähernd so groß wie heute etwa von<br />

Helmut Heissenbüttel zu den Lore-Heften. Doch muß ich hier erwidern, daß wir zwar nicht<br />

die glücklicheren Zeiten zurückzaubern, wohl aber eine relativ glückliche Insel mitten in<br />

unsere schwierige Zeit hineinbauen konnten: das <strong>Hörspiel</strong> hat niemals in seiner<br />

vierzigjährigen <strong>Geschichte</strong> ein auch nur annähernd so stupendes Auseinanderklaffen<br />

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