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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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ihn andererseits, ein metaphysisches Element hineinzubringen: einen magischen<br />

Jazzschlagzeuger als cantus firmus, der der Verzweifelten immer wieder den trostlosen<br />

Rhythmus der Einsamkeit in die Ohren trommelt. Kesser braucht dergleichen nicht, seine<br />

<strong>Geschichte</strong> ist schon durch ihren zugespitzten äußeren Ablauf gleichnishaft. In der<br />

Existenz einer Krankenschwester, die sich selbst zur helfenden Liebe bestimmt hat, wirkt<br />

ihr eigenes Lechzen nach Liebe noch greller, noch mißtönender als bei einer Sekretärin.<br />

Und ein Kriminalfall, der der Schwester das armselige, das beglückende Geschenk in den<br />

Schoß wirft, mit einem Manne, freilich bloß mit einem toten, durch ein gemeinsames<br />

Geheimnis verb<strong>und</strong>en zu sein, ist wohl die schärfste, die erhellendste Pointierung, die<br />

denkbar ist. Wie selig ist diese Frau, als sie am Ende ihre kleine Illusion behalten darf, da<br />

doch ihre Angst eben erst bewiesen hat, für wie unentbehrlich <strong>und</strong> für wie unrealistisch sie<br />

selbst diese Illusion hält!<br />

Von solchen Unterschieden in Figur <strong>und</strong> Handlung abgesehen, sind beide <strong>Hörspiel</strong>e, vor<br />

allem in den Äußerlichkeiten, die sie betonen <strong>und</strong> mit denen sie spielen, fast gleich:<br />

beginnend am Morgen beim Erwachen mit schlaftrunkenem, fast noch unbewußtem<br />

Vorsichhinsprechen, dann in der Fortsetzung des Monologs, begleitet von den<br />

Geräuschen des Waschens <strong>und</strong> Duschens, <strong>und</strong> schließlich in der äußeren Bewegung des<br />

Anziehens, Gehens, Fahrens in den öffentlichen Verkehrsmitteln – zum Arbeitsplatz hier,<br />

zum Gericht da.<br />

Es ist dabei übrigens durchaus nicht wichtig, daß hinter dem Monolog die realen<br />

Geräusche hörbar werden <strong>und</strong> an die äußeren Vorgänge erinnern: Schröder-Jahn hat bei<br />

der Produktion der Sekretärin einige dieser Geräusch-Gegenstimmen wiedergegeben,<br />

Rudolf Noelte bei der Neuinszenierung von Schwester Henriette fast ganz darauf<br />

verzichtet. Für eine große Darstellerin – Gisela von Collande dort, Marianne Hoppe hier –<br />

ist es vielleicht gerade der Reiz der Rolle <strong>und</strong> ihr Stimulans, daß das ständige<br />

Gegeneinander von innerer <strong>und</strong> äußerer Bewegung ohne mehr als Text-Andeutungen<br />

spürbar werden muß. Vor dem Toilettenspiegel, vor dem Schrank mit den Kleidern, am<br />

Fenster: jeder Blick, der nach draußen geht, wird in Wirklichkeit nach innen gewendet.<br />

Eben dieser spielerischen Chance wegen wird beim Inneren Monolog des <strong>Hörspiel</strong>s viel<br />

sorgfältiger als bei seiner sonstigen Verwendung darauf geachtet, daß die gleichzeitigen<br />

realen Vorgänge im Text durchscheinen. Innerer Monolog geht ja noch von<br />

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