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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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keine Gelegenheit verpaßt, aber waren auch noch nicht auf den Gedanken gekommen,<br />

daß wir uns daran gewöhnen müßten, unsere Gelegenheiten zu verpassen. Es waren<br />

Jahre voller Leben.<br />

Gleichfalls noch 1952 schrieb Hoerschelmann <strong>Das</strong> Schiff Esperanza, sein bisher<br />

bedeutendstes Werk. Leicht kann man die motivische Verwandtschaft mit der<br />

Verschlossenen Tür erkennen. Nur sind es hier nicht ein paar redliche Männer innerhalb<br />

einer feindlichen Welt, die sie umzingelt <strong>und</strong> erdrückt, sondern es ist eine kleine, in sich<br />

geschlossene Gemeinschaft des Bösen, ein Schiff voller gescheiterter Existenzen, eine<br />

Gesellschaft von Hehlern <strong>und</strong> Mördern, zu denen ein Parzival kommt. Und siehe da: er<br />

bewirkt um ein Haar, daß alles sich ändert. Wenn er nicht der Retter hätte sein wollen, so<br />

wäre er der Retter gewesen; er war nicht genug Parzival, um das Böse zu überwinden,<br />

aber auch nicht bewußt genug, um es zu durchschauen.<br />

Die düstere <strong>Geschichte</strong> steht um nichts hinter den großartigsten <strong>Geschichte</strong>n Joseph<br />

Conrads zurück. Der Kapitän des Verbrecherschiffs ist der Vater des angeheuerten<br />

Jungen, ist ein dunkler Ehrenmann, Marineoffizier unter Hitler, aber auch schon damals<br />

wegen fragwürdiger Geldgeschäfte hinter Schloß <strong>und</strong> Riegel. Der Sohn wurde mit<br />

Märchen über den Vater großgezogen. Und nun steht er ihm als jüngster Matrose auf<br />

seinem Schiff, einem überfälligen Frachter, gegenüber <strong>und</strong> erfährt nach <strong>und</strong> nach, freilich<br />

nicht vollständig, was da gespielt wird: Menschen, die keine Existenz mehr haben, die<br />

untertauchen müssen, denen die Papiere fehlen, wollen in das Land irgendeiner Hoffnung<br />

transportiert werden. Der Alte sammelt sie auf; es wird für die Armen eine teure Überfahrt,<br />

denn schließlich läßt er sie mitten im Meer auf Sandbänken aussetzen, von denen man<br />

ihnen vorlügt, sie seien die ersehnte Küste.<br />

Erschütternd, wenn sich der Vater plötzlich dem Sohn gegenübersieht, ihn<br />

einzuschüchtern versucht <strong>und</strong> selbst eingeschüchtert ist, alles nicht mehr wahrhaben will,<br />

schwört <strong>und</strong> befiehlt, daß es »das letzte Mal« sei, während fast gleichzeitig einer der<br />

Matrosen mit dem Ersten Offizier um den Mörderlohn des Abtransports der todgeweihten<br />

Passagiere feilscht. Erschütternd, wenn der Sohn plötzlich im Frachtraum die elenden<br />

Opfer findet, einen darunter, der »fertig« ist, nicht mehr weiter kann, umkehren will <strong>und</strong><br />

dessen Platz beim Abtransport ins Nichts schließlich der Sohn einnimmt.<br />

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