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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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hatte gleichfalls beachtlichen Erfolg, es wurde 1957 mit dem internationalen <strong>Hörspiel</strong>preis,<br />

dem »Prix Italia«, ausgezeichnet. Leider wird die wirtschaftliche Betriebsamkeit hier nicht<br />

am Modell einer anschaulichen Fabel gezeigt, sondern zwischen Eheleuten – fast nur von<br />

der Frau – mit persönlichen Ehereminiszenzen erörtert, so daß das Stück mehr Feuilleton<br />

als Gedicht ist.<br />

Auf eine sehr eindrucksvolle Art, etwa Hoerschelmann nacheifernd, befaßt sich Ina<br />

Seidels Sohn Christian Ferber im <strong>Hörspiel</strong> mit der Frage politischer Schuld <strong>und</strong> politischer<br />

Verständnislosigkeit. Seine bisher reifste Arbeit, Gäste aus Deutschland (62), stellt den<br />

Besuch dar, den eine Mutter mit ihrem inzwischen erwachsenen Sohn einer der kleinen<br />

französischen Kanalinseln abstattet, auf denen der Vater im Krieg Ortskommandant war.<br />

Er hat mit dem Tode büßen müssen, daß er damals diese Inseln nicht in den<br />

aussichtslosen Invasionskampf hineinzog, sondern sie übergab. Nun erwarten die<br />

reisenden Angehörigen Dank <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft der Einwohner. Doch vergeblich: sie<br />

erleben, daß Verstehen <strong>und</strong> Vergessen den Menschen nicht leicht zuteil wird.<br />

Als ein ausgeprägter Protestant <strong>und</strong> darin Wickert ähnlich – außerdem auch schon mit<br />

einem umfangreichen Werk für den R<strong>und</strong>funk – ist Otto Heinrich Kühner zu erwähnen, der<br />

eine Zeitlang dem »Genietrupp« nahestand. Er hat (1954 bei Langen-Müller) einen Band<br />

mit <strong>Hörspiel</strong>en, Funkerzählungen <strong>und</strong> Features herausgegeben: Mein Zimmer grenzt an<br />

Babylon. Darin steht auch ein längerer theoretischer Essay über die Funkformen,<br />

demzufolge die Funkerzählung eine »Grenzform des <strong>Hörspiel</strong>s« ist. Ein<br />

<strong>Geschichte</strong>nerzähler, der laut erzählt, sei, auch wenn er »anonym« bleibt (d. h. keine<br />

Rolle in seiner <strong>Geschichte</strong> spielt <strong>und</strong> nicht aus der Fiktion eigenen Erlebens berichtet),<br />

»unmittelbarer« als geschriebene epische Prosa. Auch ergebe sich bei lautem Erzählen<br />

ein leichterer Übergang vom Erzählend-Epischen zum Darstellbar-Dialogischen. Ich muß<br />

gestehen, daß ich Kühner hier nicht folgen kann, daß ich eine episch-dialogische<br />

Mischform immer als bequem, halbgar <strong>und</strong> chimärisch empfinde, wenn nicht wenigstens<br />

auch der Erzähler für den Hörer selbst Figur <strong>und</strong> Schicksal wird. So geschieht es zum<br />

Beispiel formal vorbildlich in Kühners unvergeßlicher <strong>Hörspiel</strong>-<strong>Geschichte</strong> Die<br />

Übungspatrone (50), in der der Angehörige eines Erschießungskommandos berichtet <strong>und</strong><br />

miterleben läßt, wie der billige Trost, daß unter zehn scharfen Patronen eine<br />

Übungspatrone war (die jeder gehabt zu haben sich einbildet), für alle plötzlich<br />

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