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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Bettelmann, einem äußerst wirren Produkt aus dem Zeitalter des nazistischen<br />

»Aufbruchs« (1933), das beinahe jede weltanschauliche Deutung zuläßt.<br />

Die erheblich bessere Möglichkeit, die alsbald entdeckt wird, <strong>und</strong> mit der man die<br />

dialektischen Widersprüche, von denen die Rede ist, in modernem Gefühl sehr viel<br />

entsprechenderer Weise überwinden kann, ist die überkommene, schon im 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert als Tribut an die Deklamatorik (also gleichfalls an mündliche Wiedergabe)<br />

neu erstandene Mischform der Ballade. In ihr heben sich, wie schon erwähnt, die<br />

Kategorien ebenfalls auf, auch sie enthält die Möglichkeit, abwechselnd ins Dramatisch-<br />

Dialogische, ins Epische oder Lyrische überzugehen. Obwohl diese Form hörspielähnlich<br />

ist, ist mit ihr noch nicht die eigentliche <strong>Hörspiel</strong>form erreicht. Doch setzt hier einer der<br />

kräftigsten Zweige der <strong>Hörspiel</strong>entwicklung ein, der bis heute floriert.<br />

Dem eigentlichen <strong>Hörspiel</strong> nähert man sich, indem man sich die balladeske »Ex«pression,<br />

den deklamatorischen »Aus«druck versagt <strong>und</strong> statt dessen alle Scheinwerfer ins Innere<br />

lenkt. Die Richtung zum Mikrophon statt zur Antenne (nach Würzburger) führt sozusagen<br />

zu einer leisen, unpathetischen »inwendigen« Ballade: an die Stelle eines quasi-<br />

dramatischen Faltenwurfs tritt selbstkritische Enthüllung. Indem der Mensch, der Dichter<br />

<strong>und</strong> der Hörer, sich seinen inneren Wirklichkeiten gegenüberstellt, die ihm nicht weniger<br />

unheimliche Rätsel aufgeben als die äußere Wirklichkeit, steht er sich selbst nicht nur als<br />

Schöpfer, sondern auch als Richter gegenüber.<br />

Hier muß, da wiederum von der Mischform die Rede war, noch einmal auf die<br />

Gedankengänge des Briefwechsels zwischen Goethe <strong>und</strong> Schiller von 1797<br />

zurückgegriffen werden. (Nicht zufällig ist übrigens 1797 das »Balladenjahr«, Goethe<br />

schrieb – neben Hermann <strong>und</strong> Dorothea – Der Gott <strong>und</strong> die Bajadere <strong>und</strong> Die Braut von<br />

Korinth, Schiller Die Kraniche des Ibykus <strong>und</strong> Der Ring des Polykrates.) Es ist schon<br />

angedeutet worden, daß Schiller auf Goethes Resignation mit einer abschließenden, gar<br />

nicht resignativen Äußerung geantwortet hat. Wiederholen wir noch einmal mit heutigen<br />

Begriffen den Gedankengang der Briefdiskussion bis zu dieser Antwort, um den<br />

entscheidenden Beitrag Schillers zu würdigen:<br />

Die Neigung seiner Zeitgenossen, alles vergegenwärtigt, verdinglicht, verbildlicht vor<br />

Augen sehen zu wollen <strong>und</strong> in der Kunst den Anschein von Lebens- <strong>und</strong> Naturwahrheit zu<br />

suchen, konnte damals noch nicht zur Photographierwirklichkeit des Films <strong>und</strong> des<br />

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