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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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bringen sie Leistungen zustande, die beweisen, daß sie die Form als Ziel schon genau im<br />

Blick haben.<br />

Besonders typisch dafür ist Ernst Johannsens Brigadevermittlung, aber auch Friedrich<br />

Wolfs SOS Rao-Rao-Foyn / Krassin rettet Italia. Wolf schrieb damals in der Zeitschrift des<br />

Stuttgarter Landestheaters: »Als die Nobile-Tragödie die ganze Welt erschütterte, wollte<br />

ich zunächst ein Schauspiel daraus machen. Doch wurde ich mir bald darüber klar, daß<br />

die häufige Verschiebung der Schauplätze nur durch funkische Gestaltung zu lösen sei.<br />

So begann mich das funkische Problem zu interessieren.« ∗<br />

Johannsen <strong>und</strong> Wolf bedienen sich in gleicher Weise, der eine des Fernsprechers, der<br />

andere des Funks, um räumliche Distanz zu überbrücken <strong>und</strong> entfernte Partner ins Spiel<br />

zu bringen. Aber Wolf irrt, wenn er meint, es gehe nur darum. Es handelt sich<br />

hauptsächlich um etwas ganz anderes, mindestens bei Johannsen. Die vermittelnde,<br />

überbrückende Eigenschaft der modernen technischen Hilfsmittel dient als Ersatz für die<br />

noch nicht erf<strong>und</strong>ene assoziative Methode des Springens, man glaubt, das assoziative<br />

Springen noch motivieren zu müssen.<br />

Dies scheint auch in der Idee eines Kölner <strong>Hörspiel</strong>s <strong>Das</strong> Ohr der Welt – nach einem<br />

leider verlorenen Text von Boese <strong>und</strong> Brennecke – zum Ausdruck gekommen zu sein. ∗<br />

Pongs sagt, es habe »beruht auf der echt funkischen Idee eines Apparats, der imstande<br />

ist, jede Stelle in der Welt abzulauschen, auf die man ihn einstellt«. <strong>Das</strong> bedeutet: die<br />

später allgemein geübte <strong>und</strong> selbstverständliche Freiheit des <strong>Hörspiel</strong>s zu beliebigem<br />

»assoziativem« Szenensprung, die Phantastik, die im Wesen der neuen Form liegt, wird<br />

vorerst noch durch eine realistisch geschilderte technische Utopie zaghaft erklärt. Aber<br />

man springt keineswegs in erster Linie deshalb, weil man die fernen Schauplätze <strong>und</strong><br />

Personen als Handlungselemente braucht, sondern um von der zusammenhängenden,<br />

ortsfesten Szenenwirklichkeit des Auges loszukommen – hin zur vollkommeneren,<br />

komplexeren Wirklichkeit des Überallzugleich, wie sie das Ohr, die Sprache, die<br />

Phantasie, wenn sie nicht an das gegenständliche Sehen der Augen geb<strong>und</strong>en sind,<br />

∗ Bei Pongs zitiert nach Wolfs Aufsatz Über R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> <strong>Hörspiel</strong> in der Schwäbischen Thalia (11.<br />

Jahrgang Nr. 24).<br />

∗ Nach Mitteilung des Regisseurs Karl Pündter handelt es sich bei den Autoren um Carl Boese, der später<br />

in der NS-»Reichssendeleitung« eine ungute Rolle spielte, <strong>und</strong> um Hans Bodenstedt, der auch unter dem<br />

Pseudonym Brennecke schrieb.<br />

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