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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Die theologisch interessantesten Fragen entzündeten sich an der aus England<br />

importierten Serie von zwölf Passionshörspielen der Kriminalschriftstellerin Dorothy<br />

Sayers, Zum König geboren, die 1949 bei Hoffmann <strong>und</strong> Campe in Hamburg als Buch in<br />

deutscher Sprache erschien. Einige der Stücke wurden in Frankfurt <strong>und</strong> Stuttgart auch<br />

gesendet, freilich bald als Programmbestandteil wieder aufgegeben. Die englische<br />

Ausgabe aber, Man born to be King, war in Großbritannien ein anhaltender Bucherfolg,<br />

<strong>und</strong> die gesamte <strong>Hörspiel</strong>serie lief bei der BBC mehr als ein Jahrzehnt lang alljährlich in<br />

den Passionsprogrammen. Leider wurde in der deutschen Ausgabe das lange Vorwort<br />

weggelassen, in dem die Sayers für sich selbst <strong>und</strong> ihre <strong>Hörspiel</strong>e größte<br />

Verkündigungsmächtigkeit in Anspruch nimmt, während sie den Kirchen vorwirft, sie<br />

kreuzigten von den Kanzeln herab durch Verharmlosung Christus immer wieder aufs<br />

neue.<br />

Ohne der Attacke der kühnen Autorin gegen die kirchliche Praxis geradezu widersprechen<br />

zu wollen, fühle ich mich dennoch verpflichtet zu sagen, daß in der Theologie, mindestens<br />

seit Karl Barth, das Gegenteil einer bürgerlichen Verharmlosung, eine neue Härte <strong>und</strong><br />

Strenge eingezogen ist, <strong>und</strong> daß man leider gerade davon bei der Sayers nichts verspürt.<br />

Sie macht aus den Passionsvorgängen eine Art historischen Illusionstheaters, <strong>und</strong><br />

Christus wird derart in die triviale Umwelt hineingezogen, daß sogar die wörtlichen Zitate<br />

aus den Evangelien gelegentlich ihre vollmächtige Sprachkraft verlieren. Mit der<br />

wohlmeinenden Bemühung um Verständlichmachen, Anschaulichmachen,<br />

Psychologisieren wird der Menschensohn ganz seiner eschatologischen Einmaligkeit<br />

beraubt <strong>und</strong> ist nicht im geringsten mehr derjenige, der – für einen kurzen Augenblick den<br />

Vorhang wegreißend – offenbart, was auf uns zukommt.<br />

Nur zwei typische Beispiele aus der Darstellung der Hochzeit zu Kana. Eine Dame<br />

namens Rebekka gackelt dort Maria (gekürzt) folgendermaßen an: »O Maria, was höre<br />

ich? Dein Sohn Jesus kommt? Aber das ist ja großartig! Seit Jahren <strong>und</strong> Jahren habe ich<br />

ihn nicht mehr gesehen! Soll ja ein Prediger sein oder ein Prophet oder sowas <strong>und</strong> viel<br />

Aufsehen machen! Die Jugend ist direkt verrückt auf ihn, hab ich gehört.. Aber zu Hause<br />

wird er dir fehlen, nicht wahr...« <strong>und</strong> immer so weiter bis ins Unerträgliche. (Selbst die<br />

Jünger sprechen ähnlich <strong>und</strong> nicht viel anders auch der gute Schächer am Kreuz, der in<br />

der letzten St<strong>und</strong>e Christus mit der Bitte, seiner im Jenseits zu gedenken, nur hänseln<br />

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