08.10.2013 Aufrufe

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

http://www.mediaculture-<strong>online</strong>.de<br />

übersetzt. Johannsen berichtet von r<strong>und</strong> fünf<strong>und</strong>siebzig Sendungen <strong>und</strong> nennt die Länder:<br />

England, Schweden, Holland, Belgien, Frankreich, Polen, Finnland, Bulgarien, USA <strong>und</strong><br />

Australien. Eine deutsche <strong>und</strong> eine französische Buchausgabe seien veranstaltet worden,<br />

<strong>und</strong> neben einem englischen Zeitungsabdruck sogar eine englische Schallplattenversion.<br />

Erst mit Max G<strong>und</strong>ermann, Wolfgang Hildesheimer <strong>und</strong> Fred von Hoerschelmann hatte<br />

das deutsche <strong>Hörspiel</strong> ein Vierteljahrh<strong>und</strong>ert später wieder vergleichbare internationale<br />

Erfolge.<br />

Man könnte auch von Johannsens Stück sagen, es sei ohne individuelle Handlung. Es<br />

erzählt, wie die Front einmal hin- <strong>und</strong> zurückrollt <strong>und</strong> über jenen Unterstand hinwegfährt,<br />

wo dann die französische Handgranate alles Leben außer dem eines einzigen<br />

Schwerverw<strong>und</strong>eten, des Erzählers, auslöscht. Zuvor blendet eine Fülle von<br />

Einzelschicksalen auf, sie werden abwechselnd zur Mitte des Geschehens; <strong>und</strong> immer<br />

wieder wird gezeigt, wie die Kraft keines der Männer ausreicht, den andern ebenso<br />

wichtig zu nehmen, wie den eigenen bohrenden Hunger nach Nahrung <strong>und</strong> die eigene<br />

Gier nach Leben <strong>und</strong> Sicherheit. Dies ist vielleicht das eigentliche Thema des Stücks. Als<br />

beim Kartenspiel die Nachricht kommt, einer von ihnen liege schwerverw<strong>und</strong>et am<br />

Straßenkreuz, <strong>und</strong> nur der hilflose, erst achtzehnjährige »Madam Behnke« sei bei ihm,<br />

<strong>und</strong> als zwei Mann nach oben geschickt werden, wurmt es den einen: »Gerade jetzt, wo<br />

ich einen Pfeifer in der Hand habe!«<br />

<strong>Das</strong> alles ist mit wenigen, festen Strichen gezeichnet, nichts ist nach vorn gespielt in<br />

diesen Dialogen, weder eine Sentimentalität noch gar eine Ideologie oder irgendeine der<br />

damals miteinander streitenden Meinungen über den Krieg. So kommt es, daß das Ganze<br />

sogar mehr geworden ist als ein Kriegsstück <strong>und</strong> doppelt mächtig auf den Hörer zukommt:<br />

Gleichnis menschlichen Elends, menschlicher Ohnmacht schlechthin. »Wir schaffen es<br />

nicht mehr, mit der Märzoffensive verging unser Glaube an eine Möglichkeit«, sagt der<br />

Oberleutnant vorn im Graben zu einem General irgendwo hinten beim Stab. Alle<br />

empfinden das. Aber ehe sie es aussprechen, wird von andern Sorgen geredet, die im<br />

Vordergr<strong>und</strong> stehen, von Zwiebeln fürs Pferdefleisch, von den unreifen jungen Burschen,<br />

die nun mehr <strong>und</strong> mehr als Ersatz in diese Hölle geschickt werden, <strong>und</strong> von der elenden<br />

Karbid-Funzel, die bei jedem schwereren Einschlag immer wieder verlischt.<br />

97

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!