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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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ungewöhnlich langer Tag. Ich war nicht der einzige, der nach dieser Sendung in einer<br />

Kritik feststellte, der bisher überzeugendste <strong>Hörspiel</strong>regisseur sei da am Werke gewesen.<br />

Schröder-Jahn war in der Tat einer der Erfinder jener Methode, bei der plötzlich alles, was<br />

bis dahin galt, ins Gegenteil verkehrt wurde: Stille, das war nicht mehr die Lücke zwischen<br />

Worten <strong>und</strong> Tönen, sondern Worte <strong>und</strong> Töne schwammen vereinzelt <strong>und</strong> vorsichtig in<br />

dem Meer aus Stille, das sie trug. Die Qualität einer Inszenierung wurde geradezu daran<br />

meßbar, daß der Regisseur es wagen konnte, sek<strong>und</strong>enlang <strong>und</strong> immer wieder Stille<br />

vorherrschen zu lassen, ohne daß sie unausgefüllt schien. Niemals wurde ein Geräusch<br />

als szenische Gr<strong>und</strong>ierung verwendet: es durfte mit dem Wort nicht zusammenfallen,<br />

mußte allein stehen <strong>und</strong> dem Wort als Zeichen ebenbürtig werden. <strong>Das</strong> Laute war nicht<br />

etwa die Steigerung des Leisen, sondern eher umgekehrt: Lautes konnte unversehens<br />

<strong>und</strong> ohne Vorbereitung einen Augenblick lang hervorbrechen, dann aber war alles wie<br />

vom Schreck weggewischt, <strong>und</strong> nach einer langen, gleichsam beleidigten Stille kam die<br />

Möglichkeit dichtester Intensität durch den leisesten Ton. Was wichtig war <strong>und</strong> unbedingt<br />

vernommen werden mußte, wurde nicht etwa laut oder wenigstens in mittlerer Stärke <strong>und</strong><br />

mit mittlerem Nachdruck ausgesprochen, sondern je erregter <strong>und</strong> entscheidender die<br />

Szene war, desto unhörbarer wurde sie; man mußte den Atem anhalten, mußte seinem<br />

Lautsprecher näher rücken, um nichts zu versäumen.<br />

Die Entdeckung dieses Stils, mag er uns heute auch selbstverständlich erscheinen, kam<br />

fast einer Neuentdeckung des <strong>Hörspiel</strong>s gleich. Dabei steht außer Frage, daß der<br />

Vorgang nicht zufällig zeitlich mit der Einführung der UKW-Technik zusammenfiel. Doch<br />

darf man sich den Ablauf auch nicht so vorstellen, als ob das eine die Ursache, das<br />

andere die Wirkung gewesen sei. Hier liegt vielmehr wieder jene seltsame Parallelität von<br />

technischer <strong>und</strong> künstlerischer Entwicklung vor, die nur durch die Einheit der<br />

Geistesgeschichte zu erklären ist.<br />

<strong>Das</strong> läßt sich in unserm Falle geradezu nachweisen. Dieselbe Tendenz kommt in einem<br />

experimentellen <strong>Hörspiel</strong> zum Ausdruck, dessen Text um die gleiche Zeit oder sogar<br />

etwas früher in Tübingen entstand, wo mit der UKW-Technik noch keine Erfahrungen<br />

vorlagen <strong>und</strong> wo Schröder-Jahns Inszenierungen unmöglich bekannt gewesen sein<br />

können. Es handelt sich um ein Manuskript des Tübinger Universitätsprofessors Paul<br />

Ohlmeyer Odilo, das damals heftig diskutiert wurde <strong>und</strong> auf das sich die Stuttgarter<br />

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