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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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eines, das gar nicht erklingt, für die Phantasie hörbar werden zu lassen – oder aber<br />

Geräusche, die erklingen <strong>und</strong> dem Wort unterlegt werden, beliebig umzudeuten.<br />

Jan Rys gibt im Manuskript seiner Grenzgänger, als die beiden hysterischen Phantasten<br />

im Wiener Kaffeehaus während ihrer imaginären Flucht über eine Eisenbahnschiene<br />

stolpern, den Hinweis, man solle das Geräusch durch das Klirren eines Kaffeelöffels an<br />

der Tasse andeuten, da ja keine wirkliche Schiene, sondern nur Kaffeehaus vorhanden<br />

sei. Doch ist es trotz dieses Kunstgriffs unendlich schwer, wenn nicht fast unmöglich, bei<br />

den Hörern den Eindruck zu verhindern, es töne eine Schiene; zu lange ist nicht vom<br />

»realen« Schauplatz, dem Kaffeehaus, gesprochen worden, zu intensiv reißt die<br />

Erzählung uns mit, hinein in die Geschehnisse der Flucht.<br />

Ein Gegenstück dazu war eine <strong>Hörspiel</strong>sendung von Curt Goetzens Einakter Der Mörder<br />

Anfang der dreißiger Jahre im neuerbauten <strong>Hörspiel</strong>komplex in der Masurenallee. Der<br />

Schauspieler-Dichter hat darin, am Fenster stehend, bei Donner <strong>und</strong> Blitz die<br />

Schauergeschichte der schicksalhaften Jagdunfälle, die eigentlich Morde waren, zu<br />

erzählen; er will uns vermuten lassen, daß wieder einer bevorsteht, dazu muß das<br />

kitschig-grausige Gewitterrumpeln helfen. Leider blieb bei der Sendung, just als Goetz<br />

sein schauerliches Solo mit der düsteren Prophezeiung begann, der Strom aus, <strong>und</strong> die<br />

Platte, von der Wind <strong>und</strong> Donner abgespielt werden sollten, versagte; ein simples<br />

Donnerblech aber hatte der Geräuschfabrikant nicht bei der Hand. So mußte Goetz sein<br />

»Hahei! Es geht los, schöne Frau ... Blast, Winde … Wütet! Ihr schweflichten Blitze!« in<br />

die tiefste Stille hinein deklamieren. Alle, die den Vorgang im Studio als Augenzeugen<br />

erlebten, hielten die Sendung für hoffnungslos verpatzt. Die Hörer draußen aber, die<br />

nachher befragt wurden, hatten Donner <strong>und</strong> Blitz nicht entbehrt. Denn beides war durch<br />

die Suggestivkraft des Darstellers in ihnen aufgeklungen. Der Vorfall wurde damals viel<br />

kommentiert.<br />

Natürlich imaginiert das lebendige Wort mit seinen direkten Inhalten <strong>und</strong> zusätzlich durch<br />

die ihm vom Sprecher aufgeprägte Stimmung nicht nur Bilder, sondern auch Geräusche,<br />

genau so wie es Geruch, Geschmack <strong>und</strong> alle äußeren <strong>und</strong> inneren Empfindungen<br />

imaginieren kann. Daraus erklärt sich einer der elementarsten Gr<strong>und</strong>sätze der<br />

Geräuschanwendung: wird, was der Hörer wahrnehmen soll, schon in der Sprache, im<br />

Wort hinreichend anschaulich, dann darf es ihm nicht auch noch realiter aufgedrängt, darf<br />

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