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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Fernsehens verführen, weil es beides noch nicht gab. Und doch entfremdete diese<br />

Neigung – nach Goethe – schon damals dem Publikum die reinen Formen, vor allem die<br />

reine Erzählform, die das Vergangene distanziert als vergangen darstellt, <strong>und</strong> weckte<br />

bereits zu jener Zeit in den Menschen eine Vorliebe zum Spektakulum <strong>und</strong> zum<br />

Optischen: also damals zum Theater, das ja Wirklichkeit immer greifbarer <strong>und</strong> bildhafter<br />

vor Augen zu führen scheint als erzählende Prosa. Darum würden nun, klagt Goethe, um<br />

dieser Konkurrenz willen, mehr <strong>und</strong> mehr Romane <strong>und</strong> Epen dramatisiert, <strong>und</strong> ferner<br />

würde es Mode, epische Formen durch realistisch-illusionistische Techniken wie den<br />

Briefroman oder durch Einfügung langer, direkter Dialogpartien zu zerstören. Auch sonst<br />

wolle ja die Menge alles konkret sehen: »Kupfer! Kupfer!« Wir hören heute: »Illustrierte!<br />

Illustrierte!« Der Geschmack scheint noch auf dem gleichen Punkt zu verharren. Nur daß<br />

durch die Künste der bewegten Photographie inzwischen dem Theater Anspruch <strong>und</strong><br />

Verlockung, handfeste realistische Lebenswirklichkeit darzustellen, abgenommen sein<br />

könnten, während damals die Bühne versucht war (<strong>und</strong> der Versuchung oft erlag), jene –<br />

nach Goethe – »kindischen, barbarischen, abgeschmackten Tendenzen«<br />

mitzubefriedigen.<br />

Was Schiller in dem schon erwähnten, abschließenden Brief nunmehr sagt, ist weit<br />

schwieriger <strong>und</strong> komplizierter als Goethes etwas elegische Auslassung über das<br />

irregeleitete Formgefühl <strong>und</strong> sein Bekenntnis zur klassisch distanzierenden, epischen<br />

Form.<br />

Dafür ist es desto mutiger. Höchst atemberaubend, die sehr moderne Konsequenz zu<br />

erleben, zu der Schiller gelangt! Weit mehr als ein Jahrh<strong>und</strong>ert überspringen seine<br />

Überlegungen, scheinen eine der heute aktuellsten Formen des Theaters <strong>und</strong> gerade<br />

auch das <strong>Hörspiel</strong> zu betreffen:<br />

Der Dramatiker Schiller sieht sich erst einmal genötigt, die Bühne, das Theater gegen die<br />

Abwertung durch Goethe zu verteidigen, der sie mit seinen Argumenten beschuldigt,<br />

Widerpart der reinen Form <strong>und</strong> Mittel zu primitiver Wirklichkeitsillusion zu sein. Natürlich,<br />

so gesteht Schiller zu, habe Goethe mit seiner Beschreibung jener realistischen Dramatik<br />

einen unkünstlerischen Theaterstil gekennzeichnet. Aber wenn dieser Stil »durch einen<br />

schlechten Hang des Zeitalters in Schutz genommen« wird, »so müsse man eben die<br />

Reform beim Drama anfangen <strong>und</strong> müsse durch Verdrängung der gemeinen<br />

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