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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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darf die Forderung nicht verwechselt werden. Eher handelt es sich um eine Frage des<br />

Formgefühls <strong>und</strong> des Humors. Harald Braun verstieß gegen beides, als er jene Änderung<br />

vornahm – offensichtlich (wie im Film üblich) wegen irgendeiner zufälligen Besetzung, die<br />

ihm wichtiger erschien als die Bedingungen, die ihm die Märchenform auferlegte. Denn –<br />

das Stichwort ist gefallen – um eine neue Art von Märchen handelt es sich bei dieser<br />

Gattung moderner Unterhaltungsspiele. <strong>Das</strong> zeigt sich an ihren Fabeln.<br />

Einen durchschlagenden Erfolg hatte z. B. Bernd Grashoff mit seinen Störchen <strong>und</strong><br />

Teerjacken. <strong>Das</strong> <strong>Hörspiel</strong> stellt die <strong>Geschichte</strong> eines U-Boot-Kapitäns dar, der aus der Not<br />

eines »werdenden Vaters« heraus den Dienstvorschriften zuwider handelt. Moral: auch<br />

Militärs sind Menschen, vorausgesetzt, daß sie es aufgeben, militärisch zu reagieren, was<br />

nur im Märchen möglich ist. – Walter Kolbenhoff in Ein Briefträger ging vorbei (52) erzählt<br />

– ähnlich wie zwanzig Jahre vorher Günter Eich in einem seiner frühesten <strong>Hörspiel</strong>e, Die<br />

Tasche des Landbriefträgers Döderlein – von einem Postboten, der nur fre<strong>und</strong>liche Briefe<br />

bestellt <strong>und</strong> alle Welt versöhnt. – Bei Eckart Hachfeld im Motorroller siegen die<br />

fortschrittlich-menschlichen Qualitäten einer jungen Lehrerin, die bei einem Schulausflug<br />

ein zweirädriges Motorfahrzeug gewinnt (was an sich schon häufiger in Märchen als in der<br />

Wirklichkeit vorkommt), über ihre vorgesetzte Behörde (was in Wirklichkeit absolut<br />

unmöglich ist). – Auch Burkhard Nadolnys <strong>Hörspiel</strong> nach Vern Snyders Roman Die<br />

Geishas des Captain Fisby (52) gehört in diesen Zusammenhang. Erst ein Jahr später<br />

hat, angeregt durch den Hamburger <strong>Hörspiel</strong>erfolg, Snyder das Theaterstück daraus<br />

machen lassen, das dann als <strong>Das</strong> kleine Teehaus von den Bühnen aller fünf Kontinente<br />

gespielt wurde. Die R<strong>und</strong>funkhörer, die es zwei Jahre nach der Sendung auf dem Theater<br />

erlebten, meinten freilich, es sei da zu einer Art Militärschwank degradiert. Im <strong>Hörspiel</strong><br />

dagegen, wo die Japaner <strong>und</strong> Japanerinnen, wie hungrige Vögel in ihrer uns<br />

unverständlichen Sprache zwitschernd, den ständigen akustischen Hintergr<strong>und</strong> bilden <strong>und</strong><br />

mit ihren Forderungen, die der Dolmetscher übersetzt, ebenso gegenwärtig sind wie die<br />

Militärbehörde, wird die Verlegenheit des Captain Fisby zu einem rührenden Gleichnis –<br />

einem Gleichnis für die Schwierigkeiten der Verständigung <strong>und</strong> dafür, daß diejenigen, die<br />

reinen Herzens in solche Schwierigkeiten geraten, immer auch wieder herausfinden.<br />

Vielleicht möchte hier jemand den Verdacht äußern, das Rezept, nach dem solche<br />

Märchen gemacht sind, sei leicht zu handhaben. Ich glaube aus Erfahrung das Gegenteil.<br />

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