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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Verhandlungspause mit flüchtiger Erinnerung an das Unglück, das der Erwerb so vieler<br />

Sklaven auch für Rom, für die Armen unter den Römern bedeutete, <strong>und</strong> an den Wind, der<br />

oben in den Gärten der Reichen weht, melden sich die gefallenen Legionäre <strong>und</strong> das<br />

Fischweib vom Markt am Forum zu Wort. Die Scham, weil sie ihren Sohn zu den Soldaten<br />

gab, bewirkt, daß sich die Mutter noch bei den Schatten nicht vor seine Augen wagt. Ihr<br />

Schweigen ergibt eine neue Pause mit Reminiszenzen an das »Oben«; entsetzt vernimmt<br />

die Totenwelt, wie die Söhne der Armen sich noch immer anwerben lassen.<br />

Nun aber eine Wendung. Der Totenrichter selbst, weil die Sache des Beklagten ungünstig<br />

steht, fragt nach Entlastungszeugen:<br />

Hast du keine Zeugen<br />

Für irgendeine Schwäche, Mensch?<br />

... Deine Tugenden<br />

Scheinen wenig nützlich, vielleicht<br />

Ließen deine Schwächen Lücken<br />

In der Kette der Gewalttaten?<br />

Da tritt ein Koch vor, anzuzeigen, daß der große Mann beim Kriegsgeschäft noch Zeit<br />

fand, ein Rezept für einen Fisch zu finden <strong>und</strong> ein Lobwort zu sprechen, <strong>und</strong> daß er<br />

seinen Koch im Triumph unmittelbar hinter den Königen gehen ließ. Auch habe er einmal<br />

in Amisus, »der Tochterstadt des herrlichen Athen«, Kunstschätze <strong>und</strong> Bücher gerettet,<br />

unter Tränen seine Soldaten beschwörend, ja nicht Feuer anzulegen. Plötzlich tritt auch<br />

einer auf, der einen Obstbaum trägt <strong>und</strong> beteuert: es sei ihm, dem Feldherrn, zu danken,<br />

wenn auf den Hängen des Apennin die Kirschen blühen, denn er habe aus dem Osten<br />

den Kirschbaum mitgebracht.<br />

Sogleich aber schwärmt, in einer Stichomythie der Selbstvergessenheit von unsagbarer<br />

Schönheit, der angeklagte, einst so mächtige Eroberer gemeinsam mit dem armseligen<br />

Bauern, der nun als Schöffe über ihn zu Gericht sitzt, von den Köstlichkeiten der frischen,<br />

schwarzen <strong>und</strong> roten Früchte. Erst der Aufschrei des Fischweibs, das seinem<br />

angestauten Zorn den Lauf läßt, <strong>und</strong> die Rufe der anderen Schöffen unterbrechen die<br />

Versunkenheit. Aber immer noch sagt der Schöffe Bauer, als alle ihn mit Blicken fragen,<br />

ob ihn denn die gemeinsame Empörung nicht endlich gleichfalls überzeuge, kein Wort. Er<br />

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