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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Beunruhiger der Menschenherzen, dem die Prüfung, oft bis zur Vernichtung, wichtiger ist<br />

als die irdische Errettung, <strong>und</strong> der Schicksale verhängt, die wir nicht zu fassen imstande<br />

sind.<br />

Es gibt, so meine ich manchmal, eine Art weltlicher Theologie des Schicksals: die<br />

zentralen theologischen Begriffe werden in ihr aus religiöser Schamhaftigkeit oder aus<br />

anderen Gründen vermieden, <strong>und</strong> doch erkennt man einen ganz bestimmten religiösen<br />

Duktus darin wieder. Wenn man das zugesteht, so findet man bei Hoerschelmann eine<br />

innere Verwandtschaft zur alttestamentlichen Schicksalsvorstellung: Erwählung <strong>und</strong><br />

Verwerfung, Gnade <strong>und</strong> Ungnade geschehen nach einer paradoxen Gerechtigkeit, die<br />

uns höchstens im Ahnen offenbar wird.<br />

In so allgemeinem Sinne <strong>und</strong> ohne theologische Verbindlichkeit möchte ich sagen, daß<br />

neben Hoerschelmanns alttestamentlicher Strenge die optimistischen, »erlösteren«<br />

Welten Erwin Wickerts <strong>und</strong> Heinrich Bölls stehen, deren <strong>Hörspiel</strong>e man gleichfalls als<br />

realistische Problemstücke bezeichnen muß. Wickert mehr protestantisch: die Opfer sind<br />

bei ihm nicht sinnlos, seine Menschen ringen sie sich ab – in einsamem Entschluß zur<br />

Größe. Böll katholisch: von daher sein unbeirrbar antibürgerlicher Moralismus. Wenn<br />

Hoerschelmanns Figuren vom Schicksal überrannt werden, es notgezwungen hinnehmen<br />

müssen, so protestieren die beiden anderen. Der protestantische Protest geschieht durch<br />

einsames, stolzes Hinausschreiten über alle alltäglichen Spielregeln der Welt <strong>und</strong> ist<br />

individualistisch, der katholische Protest aber will die Gemeinschaft in dieser Welt<br />

verwirklichen <strong>und</strong> ist praktisch-politisch, sozialistisch. Es ist ein seltsames Dreigestirn, das<br />

diese Autoren mit ihren <strong>Hörspiel</strong>en bilden.<br />

Erwin Wickert, in der Heimat Eichs im Oderbruch, freilich acht Jahre später, 1915,<br />

geboren, ist, wie sonst nur französische Schriftsteller, Diplomat von Beruf <strong>und</strong> überall auf<br />

dem Globus bis hin nach Kanada <strong>und</strong> Ostasien zu Hause. Außer R<strong>und</strong>funkarbeiten hat er<br />

zwei Romane geschrieben, von denen der letzte, Der Auftrag, eine poetische Darstellung<br />

der Taiping-Revolution (1961 bei Goverts), am bekanntesten ist. Sein erstes <strong>und</strong><br />

groteskes <strong>Hörspiel</strong> <strong>Das</strong> Buch <strong>und</strong> der Pfiff wurde schon in Zusammenhang mit den<br />

Stuttgarter Jahrbüchern genannt. Inzwischen liegen etwa zehn weitere <strong>Hörspiel</strong>arbeiten<br />

vor. Mit Darfst du die St<strong>und</strong>e rufen? errang Wickert als erster 1951 den neugestifteten<br />

<strong>Hörspiel</strong>preis der Kriegsblinden. Die kühne Operation (50) ist ein Spionagestück (ähnlich<br />

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