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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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anderer, nicht mehr so empfindsamer Art. Der künftige Eich <strong>und</strong> die weitere Entwicklung<br />

des <strong>Hörspiel</strong>s sind darin angedeutet.<br />

Zwei Fre<strong>und</strong>e leben, für langweilige Forschungsaufgaben allein gelassen, schon Jahre im<br />

menschenfernen Zelt. Aus dem Monolog des einen erfährt man, daß der andere<br />

unterwegs ist. Er wird nicht zurückkommen, das Wasser in seiner Flasche ist vergiftet.<br />

Nun wartet der Täter auf das bald fällige Verbindungsflugzeug. Aber nur seine Gedanken<br />

kommen, <strong>und</strong> das Gespenst seines Opfers erscheint ihm. Immer hat er den Gefährten um<br />

das ständige Glück <strong>und</strong> nicht zuletzt auch um die Geliebte beneidet. Jetzt, nach seinem<br />

Tod, wird ihm vielleicht alles zufallen. Doch er wird unsicher – schon hört man die<br />

späteren Wirklichkeitszweifel der Gabriele aus den Mädchen aus Viterbo: »Manchmal<br />

überlege ich mir, ob es das alles gibt.« Dennoch: eine schreckliche Auseinandersetzung<br />

beginnt zwischen den beiden Männern, dem wirklichen <strong>und</strong> dem imaginären,<br />

gespenstischen. Als Taxifahrer in einem Sarg statt in einer Taxe, als Zeitungsausrufer, als<br />

Kellner, als Angeklagter <strong>und</strong> Ankläger, als Pfarrer am Grabe seines Mörders sprechend,<br />

verfolgt ihn der Fre<strong>und</strong>, die Geliebte immer in seiner Nähe. Aktiv ist nur der vermeintlich<br />

Tote, wehrlos der Mörder. »Wer hat, dem wird gegeben«, triumphiert der Tote mit<br />

Eichscher Lust zum bösen Paradox, aber da taucht er plötzlich lebend wieder auf: er hatte<br />

die Wasserflasche vergessen, sie liegt noch immer neben dem Zelt. Sein potentieller<br />

Mörder aber windet sie ihm aus der Hand, als der Zurückgekehrte trinken will <strong>und</strong> betet:<br />

es soll für ihn niemals ein Glück geben, das ihm nicht gehört. – Die Gewissensdialektik,<br />

die Eich uns später immer wieder zumutet, in diesem kleinen Werk deutet sie sich –<br />

vermischt freilich noch mit kolportagehaften Zügen – zum erstenmal an.<br />

Der zweite Lyriker in der Horchposten-Reihe war Peter Huchel, der heute so<br />

schweigsame Herausgeber von Sinn <strong>und</strong> Form, der Literaturzeitschrift des anderen<br />

Deutschland. Auch seine Sprachkraft hätte der Kunstform des R<strong>und</strong>funks gewiß<br />

Beachtliches zu geben gehabt, wäre die Entwicklung anders verlaufen. Nun aber dichtete<br />

er verspielte nächtliche Rendezvous’ mit Katzenmusik auf den Dächern <strong>und</strong> ein Märchen<br />

vom Fesselballon am Seil, womit ein (heute, wenn man will, auf Huchels eigenes<br />

Schicksal bezügliches) Gleichnis von einem Poeten gegeben sein sollte, den Funktionäre<br />

zu fesseln drohen. Ferner ein Märchen von einem Fahrstuhl, der übers Dach hinaus in<br />

den Himmel fahren möchte. Leider ist keiner der Texte so überzeugend, daß man ihn<br />

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