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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Vorläufer von Max Frischs Biedermann einzieht <strong>und</strong> täglich mehr Raum beansprucht. Dies<br />

war wohl, wenn man von Borcherts Stück mit seinem besonderen Schicksal absieht, nach<br />

dem Krieg das erste <strong>Hörspiel</strong>, das den Weg aus dem Studio auf die Bühne fand.<br />

Im Herbst 1948, anderthalb Jahre nach dem einsamen Start von Draußen vor der Tür, ist<br />

es so weit, daß Ludwig Cremer wagen kann, die erste <strong>Hörspiel</strong>reihe anzukündigen. Was<br />

konnte sie als verbindlichen Inhalt besseres bieten als Aktualität? Sie hieß also <strong>Hörspiel</strong>e<br />

der Zeit <strong>und</strong> brachte einen heute glanzvollen, mehrere heute bekannte Autorennamen<br />

wieder ins Gespräch. Und doch nimmt Cremers Ankündigung das Schicksal mancher<br />

repräsentativen Voranzeige gerade auch auf dem <strong>Hörspiel</strong>gebiet voraus: sie verspricht<br />

mehr, als sie hält. Vor diesem Urteil läßt sich selbst Peter Bamms Versuch, das<br />

Heimkehrerproblem durch eine klassische Parallele <strong>und</strong> durch eine charmante<br />

Eifersuchtsgeschichte zu entschärfen, nicht bewahren: Penelope quält es, daß Odysseus<br />

immer wieder in die Muschel, Kalypsos Geschenk, hineinlauscht. Mehrmals ist später<br />

erwogen worden, das Stück neu zu inszenieren, um es möglicherweise dem Spielplan<br />

wiederzugewinnen, doch das Vertrauen zum Text fehlte.<br />

Noch zwei weitere Heimkehrerstücke erschienen in der Reihe, drei von neun Sendungen<br />

waren also dem damals beherrschenden Thema gewidmet: Bigamie von Otto Herrmann<br />

<strong>und</strong> Christian Bocks Vier Jahre <strong>und</strong> ein Tag. Auch Bock ist einer der Autoren des<br />

Vorkriegshörspiels, Mitarbeiter Gerd Frickes um 1935. Seiner neuen Arbeit liegt eine der<br />

im Entwurf eindrucksvollsten Heimkehrergeschichten zugr<strong>und</strong>e. Vier Jahre hätte es<br />

gedauert, ehe der Mann zurückkam, doch dauerte es vier Jahre <strong>und</strong> einen Tag, weil er<br />

aus Hilfsbereitschaft noch einen Mitheimkehrer begleitete, dessen Ehe zerbrochen war.<br />

Er erzählt diese <strong>Geschichte</strong> dann, heimgekehrt, seiner Frau <strong>und</strong> bew<strong>und</strong>ert ausdrücklich<br />

die Toleranz des Kameraden, der großzügig war <strong>und</strong> verziehen hat. Niemals hätte er<br />

selbst das gekonnt, niemals! Als er bald darauf seinen ersten Gang aus dem Hause tut<br />

<strong>und</strong> zurückkehrt, findet er seine Frau tot vor: sie hat sich erhängt. <strong>Das</strong> ganze weitere<br />

Stück dient seinen Erk<strong>und</strong>ungen <strong>und</strong> verzweifelten Fragen treppauf – treppab: wie denn<br />

das möglich sei, was sie gehabt haben könne, was gewesen wäre? Der Hörer erfährt es:<br />

die Frau hat vier Jahre mit Geduld auf ihn gewartet, am ersten Tag darüber hinaus hat sie<br />

in einem Anflug von Hoffnungslosigkeit einem Fre<strong>und</strong>e nachgegeben, der ihr in den<br />

schrecklichen Nachkriegsjahren immer wieder mit Rat <strong>und</strong> Tat half. Ihr Mann aber hat ihr<br />

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