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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Seltsam, daß ausgerechnet im Zusammenhang mit einem derart herausfordernden<br />

Phänomen das Wort vom »vorwiegend leidenden Weltverhältnis« des <strong>Hörspiel</strong>s kritisch<br />

gebraucht wurde: von Hans Paeschke in einer Marginalie des Merkur zu meinem dort<br />

erschienenen <strong>Hörspiel</strong>essay <strong>und</strong> als Haupteinwand gegen die <strong>Hörspiel</strong>kunst schlechthin,<br />

deren Üppigkeit gerade in Deutschland verdächtig sei. ∗ Paeschkes Darlegung, die, wie ich<br />

fürchte, theoretisch-ästhetisch mehr präjudiziert, als sie mit Beispielen belegt, ist leider<br />

gerade in den Beispielen verwirrend widerspruchsvoll. Einerseits heißt es da: »Wer nach<br />

Themen des Widerstands sucht, findet sie in den wenigen ausländischen <strong>Hörspiel</strong>en<br />

leichter als in unsern.« (Wo? frage ich, <strong>und</strong> wieso bleiben hier die r<strong>und</strong> siebzig deutschen<br />

Zeithörspiele unberücksichtigt?) Andererseits aber wird das angeblich Passivische des<br />

<strong>Hörspiel</strong>s von Paeschke fast nur an ausländischen Beispielen, vor allem – <strong>und</strong> hier,<br />

scheint mir, mit Recht – an Becketts Alle, die da fallen, am Milchwald <strong>und</strong> an Ionescos<br />

bescheidenem Automobilsalon exemplifiziert. Einerseits heißt es: »Nur ein echter Dichter<br />

vermag sich von Fall zu Fall..., dem Beispiel Günter Eichs <strong>und</strong> Ingeborg Bachmanns<br />

folgend, einen Weg zu bahnen.« Andererseits wird eine ausländische Stimme über Eich<br />

folgendermaßen kolportiert: »Welche Inbrunst der Hinnahme etwa, bis zur Umarmung des<br />

Todes, wie sie nur je ein deutscher Romantiker ersann, in den <strong>Hörspiel</strong>en von Günter<br />

Eich.« Einerseits wird das absurde Theater des Auslands als so viel vitaler apostrophiert<br />

<strong>und</strong> wird bedauert, daß es bei uns im <strong>Hörspiel</strong> »so gut wie« ohne Echo sei – was<br />

keineswegs zutrifft. Andererseits wird Hildesheimer gerügt, als »so sehr auf ausländische<br />

Vorbilder angewiesen« – obwohl er mit <strong>Hörspiel</strong>en, wie sie heute fälschlich als absurd<br />

bezeichnet werden, schon fünf Jahre vor der ersten deutschen Ionesco-Aufführung in den<br />

Sendeprogrammen vertreten war.<br />

Ich muß gestehen, daß ich auch einer Gesprächswendung gegenüber skeptisch bin, die<br />

sich (nach Paeschkes Bericht) unter direktem Appell an uns als Deutsche<br />

folgendermaßen ausläßt: »Wo bleibt Eure neue Dramatik? Habt Ihr nicht in Eurer jüngsten<br />

<strong>Geschichte</strong>, allen Völkern voran, der dramatischen Situationen genug erlebt?« Dabei fühle<br />

ich mich fast verpflichtet, an Zuckmayers Aufarbeitung der Vergangenheit <strong>und</strong> Gegenwart<br />

zu erinnern, denke auch mit dumpfer Angst, wie Zeitpolitik im proletarischen Realismus<br />

zum Rezept gemacht wird, <strong>und</strong> frage mich summa summarum, worum es sich denn im<br />

»Dritten Reich« gehandelt habe: nur um eine offensichtliche Fehlorientierung zwischen<br />

∗ Dezemberheft 1961, mein Beitrag im Septemberheft 1961.<br />

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