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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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eines Gebrauchs als (wohl nur komisch anwendbaren) Gag auf der Bühne selbst: z. B.<br />

wenn man sich Stücke denkt, in denen, neben den sichtbaren Partnern, unsichtbare<br />

Figuren kommen <strong>und</strong> gehen. Den ersten geglückten Versuch mit einem solchen<br />

komischen Stereo-Effekt auf dem Theater hat ja Dürrenmatt, durch die Schule des<br />

<strong>Hörspiel</strong>s gewitzt, in den Bahnhof-Güllen-Szenen der Alten Dame gemacht – wenn auch<br />

nicht mit sprechenden Personen, so doch mit dem ankommenden <strong>und</strong> sich entfernenden<br />

Zug. Ein großartiger Spaß von barocker Frechheit! Mit einem <strong>Hörspiel</strong> aber hat das so gut<br />

wie nichts zu tun. Wir müssen genau festhalten: es ist beim <strong>Hörspiel</strong> nicht nur <strong>und</strong> nicht<br />

einmal überwiegend Sache unserer Phantasie, sondern es ist auch technisch bedingt,<br />

wenn wir uns selbst mitten auf der »Bühne« empfinden <strong>und</strong> die Figuren des Spiels mitten<br />

in uns. Diese Empfindung ist das Ergebnis der Wirkung des abstrakten,<br />

eindimensionalen, einohrigen (»monauralen«) Hörraums. Es gibt für den <strong>Hörspiel</strong>hörer<br />

keine anderen realen Dimensionen als die des Zimmers, in dem er sitzt, <strong>und</strong> seiner<br />

Entfernung vom Lautsprecher. Da er aber spürt, daß dies mit den akustischen<br />

Gegebenheiten »innerhalb« des <strong>Hörspiel</strong>s nichts zu tun hat, sieht er mühelos von dieser<br />

Zimmer-Realität ab. Dennoch verwirrt uns der Gedanke an die Lautsprecherdistanz immer<br />

wieder, gerade bei theoretischen Überlegungen. Er bringt uns in Versuchung, die<br />

<strong>Hörspiel</strong>handlung, die innerlich in uns geschieht, als in Distanz geschehend zu<br />

mißdeuten. Hätten wir noch die alten Kopfhörer auf den Ohren, täuschten wir uns über die<br />

– im realistischen Sinne – Raumlosigkeit des <strong>Hörspiel</strong>raums nicht so leicht.<br />

Man kommt ja auch, wenn man ein Bild, eine Photographie betrachtet, nicht auf den<br />

Gedanken, seine Perspektive sozusagen real zu nehmen <strong>und</strong> sie zu der Perspektive des<br />

Zimmers, in dem man sich befindet, gleichsam hinzuzuzählen. Auch bei Betrachtung<br />

eines Bildes sehen wir von der Perspektive der realen Welt ab <strong>und</strong> versetzen uns mit<br />

unserer Phantasie in den Bildvordergr<strong>und</strong> hinein, erst damit fühlen wir uns »im Bilde«.<br />

Stehen wir aber etwa auf einem Theater vor einer Bühnendekoration, einem Hänger, der<br />

uns zu täuschen <strong>und</strong> den realen Fußboden fortzusetzen versucht, oder stehen wir vor<br />

einem jener lebensgroßen Wandbilder, wie es sie seit der Renaissance gelegentlich gibt,<br />

die den Eindruck erwecken wollen, als gehörte ihre dargestellte Welt zu dem Raum, in<br />

dem sich der Betrachter befindet, <strong>und</strong> vergrößere ihn in die Tiefe hinein, – dann erfaßt<br />

uns etwas wie ein Gefühl des Schwindels. Ein künstlerischer Eindruck ist das nicht, eher<br />

ein Vexierspiel.<br />

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