08.10.2013 Aufrufe

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

http://www.mediaculture-<strong>online</strong>.de<br />

Damals aber verfingen sich erst einmal fast alle <strong>Hörspiel</strong>beflissenen in diesen<br />

Hindernissen. Die Gescheitesten unter den Gescheiterten rafften sich jedoch bald wieder<br />

auf. Sie begannen Umwege zu suchen, auf denen man das Ziel besser erreichte. Es gab<br />

auch einige, die die Fehler gar nicht erst selbst begingen, die vom Lehrgeld der anderen<br />

zehrten. Hier müssen vor allem zwei gerühmt werden, deren Namen schon mehrfach<br />

genannt wurden: Kesser <strong>und</strong> Reinacher. Mit ihren <strong>Hörspiel</strong>en schien der neue, endgültige<br />

Anfang gemacht zu sein. Daß es im Gr<strong>und</strong>e nur eine letzte Notblüte war, die zustande<br />

kam, daß die Fortsetzung <strong>und</strong> Erfüllung der langen Bemühungen zwölf Jahre auf sich<br />

warten lassen würde: wer konnte es damals ahnen!<br />

Wellershoff, einer der jüngeren <strong>Hörspiel</strong>autoren, ist hier zitiert worden. Es gibt eine<br />

Parallele, die sehr aufregend ist, von der Wellershoff aber zweifellos nichts ahnte, als er<br />

sein erstes <strong>Hörspiel</strong> Die Sekretärin schrieb: Hermann Kesser hat unter Verwendung<br />

desselben Kunstmittels, mit der gleichen Spielart des Inneren Monologs, in einem<br />

<strong>Hörspiel</strong> schon 1929 dasselbe Thema behandelt: die Einsamkeit einer Frau, deren <strong>Das</strong>ein<br />

in vergeblichem Warten auf ein menschliches Echo vergeht. Kessers Schwester Henriette<br />

ist entwicklungsgeschichtlich noch bei weitem bedeutender als sein Straßenmann. Es ist<br />

wiederum die sehr frühe, aber zugleich bis heute exemplarische Ausprägung einer<br />

bestimmten formalen Möglichkeit des <strong>Hörspiel</strong>s. Zwar einer vielleicht nicht zentralen; aber<br />

wie für Schäfer Schnabel, so beweist für Kesser Wellershoff, daß es sich um keinen<br />

zeitbedingten, sondern wahrscheinlich um einen für immer gültigen Formtypus handelt.<br />

Fast unbegreiflich, daß der Text des Stückes nicht mit dem Blick auf die<br />

<strong>Hörspiel</strong>verwirklichung, sondern zuerst als Novelle (Die Schwester, Rütten <strong>und</strong> Loening,<br />

Frankfurt 1926) geschrieben wurde. Für die <strong>Hörspiel</strong>fassung waren nur unwesentliche<br />

Kürzungen nötig. Offensichtlich nahmen Kessers Novellen unter den Händen des Autors<br />

unabsichtlich die Form des gesprochenen Wort-Werks an. Dergleichen lag damals in der<br />

Luft: Grenzfälle zwischen Erzählung <strong>und</strong> psychodramatischer Selbstdarstellung einer<br />

erf<strong>und</strong>enen Figur wie Schnitzlers Fräulein Else, nur daß keine von diesen Dichtungen, die<br />

natürlich alle am Mikrophon erprobt wurden, die Funkeignung von Kessers Werk<br />

erreichte.<br />

Aber wie man sich den Sachverhalt auch erklären mag: Schwester Henriette ist deshalb<br />

so wichtig, weil daran zum erstenmal klar wurde, daß der Innere Monolog im <strong>Hörspiel</strong> eine<br />

127

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!