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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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<strong>Hörspiel</strong>en Hoerschelmanns Menschen auf der einen Seite, eine anonyme Macht auf der<br />

anderen, die miteinander ringen.<br />

Ich glaube sogar, daß dies nicht nur bei Hoerschelmann so ist, sondern die Formel ist für<br />

die meisten Stücke, die sich unter dem Begriff »realistisches Problemhörspiel«<br />

zusammenfassen lassen. Insofern wäre auch das realistische <strong>Hörspiel</strong> durchaus nicht<br />

dramatisch. Es stünde gleichfalls auf der Grenze zur Lyrik: darin nun doch der alten<br />

Tragödie verwandt, daß seine Gestalten nicht mit Menschen, sondern mit dem »Es«, mit<br />

dem Schicksal, mit den Göttern ringen.<br />

Hoerschelmann hat einen seiner schönsten Stoffe, Die verschlossene Tür (1952), für eine<br />

Neuinszenierung fünf Jahre nach der Erstsendung noch einmal überarbeitet. Dabei ging<br />

es eigentlich nur um eine Neufassung des Anfangs, der – nachzulesen im <strong>Hörspiel</strong>buch III<br />

– formal zu konventionell war <strong>und</strong> auf vier langen Seiten mit lauter für die weitere<br />

Handlung gleichgültigen Stimmen mühsam exponierte: Bruder Benno stirbt bei der<br />

Umsiedlung der Balten durch die Nazis im Lager an einem Unglücksfall, <strong>und</strong> der<br />

Baltenbaron Kedell bekommt in der Eile keinen Totenschein, er behält vielmehr alle<br />

Reisepapiere des Verstorbenen, so daß später der jüdische Bankier Doktor Levi,<br />

eigentlicher Besitzer des Guts, auf dem die Kedells angesiedelt werden sollen, die<br />

brüderliche Existenz übernehmen kann; eine etwas verwickelte <strong>Geschichte</strong>.<br />

Hoerschelmann hat nicht nur eine sehr viel bessere Methode, sie aufzureißen, erf<strong>und</strong>en,<br />

sondern hat zum Erstaunen aller, die ihn zur Umarbeitung drängten, dem Ganzen nun<br />

plötzlich ein Gedicht vorangestellt:<br />

Du gehst eilig im Mantel durch dein Zimmer,<br />

an der Tür blickst du noch einmal zurück:<br />

das Bett, in dem du geschlafen hast, jahrelang,<br />

der Tisch, an dem du gegessen hast,<br />

das Buch, das du gelesen hast, noch aufgeschlagen,<br />

die Blume, die vertrocknen wird.<br />

Beeil dich. Jemand, den du nicht kennst,<br />

der inzwischen zu deinem Feinde ernannt wurde,<br />

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