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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Es ist kein Spiel – kein Gegenspiel in diesem Stück, es sei denn überall dieses »Es«. Der<br />

Sohn begreift nicht, in welche Welt er gekommen ist, will ihr nur entfliehen, aber flieht in<br />

den Tod; der Vater will diesmal um des Sohnes willen die Passagiere wirklich retten, sie<br />

wirklich an Land setzen, – doch da der Sohn sich für sie verwendet, ihnen schon den<br />

Namen des Schiffes verraten hat, bleibt ihm noch einmal nichts übrig als Mord: »<strong>Das</strong><br />

Leben ist eine wüste Sache, man kann nicht hindurchschweben wie irgendein Engel. Man<br />

schwimmt im Dreck <strong>und</strong> man strampelt sich frei, wenn man nicht ersticken will, <strong>und</strong> man<br />

wird dreckig dabei.« Der Typus solcher Aktivisten beherrscht die Welt, der Parzival stirbt.<br />

Aber das Stück endet doch nicht ohne Hoffnung. Ein anderer, der sich schon aufhängen<br />

wollte, der »alles im Leben verkehrt gemacht« hat, wird durch den Jungen gerettet <strong>und</strong><br />

sieht mit ahnungsloser Freude zum erstenmal die Sonne aufgehen.<br />

<strong>Das</strong> Prinzip: Kampf des Menschen gegen die Übermacht einer unheimlichen,<br />

<strong>und</strong>urchschaubaren Wirklichkeit könnte man bei allen Hoerschelmann-<strong>Hörspiel</strong>en zeigen,<br />

die noch folgen. In Ich bin nicht mehr dabei (52) wird die <strong>Geschichte</strong> eines Selbstmörders<br />

erzählt, der eben doch noch dabei ist. In Ich höre Namen (54) glaubt ein unbedarfter,<br />

gutmütiger Mensch auf das geheime Weltgesetz gestoßen zu sein, ob mit Recht, bleibt<br />

offen. In Ein Weg von acht Minuten (55) versucht ein Blinder, in die Schicksale fremder<br />

Menschen einzugreifen, <strong>und</strong> erfährt, daß jeder sich selbst nach eigenem Gesetz sein<br />

Schicksal bestimmt. In der Aufgabe von Siena (55) geht als Aufgabe im Doppelsinn des<br />

Wortes der Leichnam eines Gefallenen von Hand zu Hand <strong>und</strong> fordert, ihn unter Gefahr<br />

des Verzichts auf Flucht <strong>und</strong> Rettung zu begraben. In Dichter Nebel (61) gehen alle<br />

zugr<strong>und</strong>e, die sich gerettet wähnen, während alle gerettet sind, die längst zugr<strong>und</strong>e<br />

gegangen sein müßten – wiederum Hilflos-Einsame in einer Umwelt, die ihr Schicksal ist.<br />

Es ist übrigens nicht zufällig, daß unter den Hoerschelmann-Titeln, die eben zitiert<br />

wurden, zwei mit »Ich« beginnen. Immer ist das Ich einer der Kontrahenten in der<br />

Auseinandersetzung: es geht um eine letzte sittliche Frage, <strong>und</strong> das Ich ist der Hörer, wie<br />

es der Autor war. Auch insofern sind Hoerschelmanns <strong>Hörspiel</strong>e denen Eichs – trotz aller<br />

Unterschiede – ähnlich. Jede der <strong>Geschichte</strong>n »will etwas von dir«, aber nicht etwa deine<br />

Frage beantworten, sondern dich mit ihr quälen.<br />

Die Stücke scheinen äußerlich keine religiöse Substanz zu haben, Gott tritt nicht in<br />

Erscheinung, schon gar nicht als Beruhiger. Aber insgeheim wird er wirksam: als der<br />

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