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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Fortschrittsglauben, das die Obskuranten als Gott bezeichnen – hier der Mensch, der<br />

eiskalte technische <strong>und</strong> ökonomische Rechner im B<strong>und</strong>e mit Technik <strong>und</strong> Wissenschaft.<br />

Am Ende aber tun sich »Die Lindberghs« <strong>und</strong> »<strong>Das</strong> Radio« zusammen, offensichtlich sind<br />

die Kräfte des Radios besiegt. Jedenfalls wird gemeinsam wie ein Schlußgebet das<br />

Resümee gesprochen nachdem schon vorher »<strong>Das</strong> Radio« dem in Paris gelandeten<br />

Flieger-Sprecher-Hörer-Kollektiv das Geräusch der zum Empfang versammelten großen<br />

Masse zugespielt hatte.<br />

Warum wird das Brecht-Werk von 1929 so eingehend analysiert? Weil es lehrreich ist,<br />

sich klarzumachen, wie weit die Anweisungen zu Aufführungen <strong>und</strong> Verwendung des<br />

Radiolehrstücks von einem Verständnis der diffizileren Möglichkeiten des R<strong>und</strong>funks<br />

entfernt sind <strong>und</strong> wie weit die Sprache, die hier gesprochen wird, von der eines wirklichen<br />

<strong>Hörspiel</strong>s abweicht.<br />

Man erinnere sich, wir unterschieden zwei Aspekte des R<strong>und</strong>funks: einmal war er bloßes<br />

Reproduktions- <strong>und</strong> Informationsmittel, das andere Mal Produktionsinstrument für eine<br />

neue künstlerische Wirklichkeit. Auch die Sprache hat zwei ähnlich zu unterscheidende<br />

Aspekte. Einerseits kann sie als Mittel dienen, als Transportmittel von Ideen, als<br />

Bezeichnung von Sachen, als Verständigungsmittel – andererseits will sie mehr als<br />

bezeichnen, nämlich hervorbringen <strong>und</strong> sein: darin in ihrer Funktion das genaue Gegenteil<br />

vom Esperanto, das eine bloße Vokabel- <strong>und</strong> Verständigungssprache ist.<br />

Die Möglichkeiten vom simpelsten bloßen Verständigungsakt bis hin zum sprachlichen<br />

Schöpfungsakt sind vielfältig aufgefächert, vielfach schattiert. Aber der Unterschied<br />

zwischen den beiden Aspekten von Sprache ist nicht bloß etwas wie ein Gradunterschied<br />

oder ein Unterschied der Intensität, sondern auch von sachlicher Art.<br />

Ein Beispiel für eine sehr hohe Form von Mitteilung (<strong>und</strong> dann natürlich<br />

Auseinandersetzung) durch Sprache: Philipp <strong>und</strong> Posa stehen sich bei Schiller leibhaftig<br />

<strong>und</strong> distanziert gegenüber, jeder der beiden vertritt Ideen, die er mit größter sprachlicher<br />

Genauigkeit zu fixieren versucht, um den andern zu überzeugen. <strong>Das</strong> Primäre aber<br />

scheint nicht die Sprache, sondern die Idee zu sein – so als könnten Ideen auch ohne<br />

Sprache existieren, in einer Art von Ideenreich, das zur Verwirklichung drängt. Der<br />

Großinquisitor, der plötzlich hinter Philipp tritt, ist eine solche Verwirklichung; sehr viele<br />

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