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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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ebensogroß wie die Versuchung, in die sie hineingerieten. Sie säßen auch nicht an den<br />

Schreibtischen, die dann zur gewichtigen Begründung ihres Selbstbewußtseins zu werden<br />

drohen, wenn sie nicht zuvor eine brauchbare Virtuosität im Urteilen, Schreiben oder<br />

Reden an den Tag gelegt hätten, – andererseits aber auch nicht, wenn sie nicht in ihrer<br />

eigenen Produktivität irgendwie gescheitert wären. Also sind sie stark <strong>und</strong> schwach<br />

zugleich, <strong>und</strong> das ist für sie <strong>und</strong> für alle, die mit ihnen zu tun haben, nicht leicht zu<br />

ertragen. Wer aber von den gefährdeten Machthabern es über sich gewinnt, trotz aller<br />

Not, die er täglich mit sich selber <strong>und</strong> mit den Instanzen hat, von sich <strong>und</strong> den Instanzen<br />

abzusehen <strong>und</strong> sein Leben auf den Dienst an den wenigen noch annähernd freien <strong>und</strong><br />

nicht gescheiterten schöpferischen Menschen einzustellen, dessen Leistung – das Pathos<br />

will keineswegs ironisch verstanden werden – hat etwas Asketisches.<br />

Also diese Männer hätten in einer Zeit, in der Schlichtheit nicht mehr honoriert wird, unter<br />

anderm auch die Geduld besitzen müssen, sich um die einfache Klarheit der alten<br />

epischen Form zu bemühen, die dem neuen Instrument manchmal besser zu Gesicht<br />

gestanden hätte. Statt dessen haben sie es oft vorgezogen, allerlei Erfindungen zu<br />

machen – Erfindungen, mit denen sie gute Presse hatten, <strong>und</strong> die auch das Instrument<br />

gern zuließ, weil sich in ihm ohnehin vielerlei vereint <strong>und</strong> vielerlei mischen läßt. So gab es<br />

die Kombination zwischen Gedichtetem <strong>und</strong> Berichtetem, zwischen Vortrag <strong>und</strong> Szene,<br />

zwischen Erbauung <strong>und</strong> Information, zwischen Lied <strong>und</strong> Belehrung <strong>und</strong> ungezählte<br />

andere Kuriositäten. Ein schlichter, sprachlich schöner Sachvortrag schien nichts zu sein,<br />

die Sache, der Stoff mußte aufgelöst werden in die Kaminplauderei eines munteren<br />

Kreises, wo jedes Wort mit einem hörbaren, aufgesetzten public-relations-Lächeln serviert<br />

<strong>und</strong> das Geschwirr des (meist höchst dilettantisch geschriebenen) Dialogs vom Prost-<br />

Läuten geschwungner Gläser begleitet wird. Wenn man sich aber der Mühe einer<br />

Auflösung in Dialog nicht erst unterziehen wollte, dann gab es auch einen Ersatz, eine Art<br />

»Stafetten-Sprechen«: man engagierte statt eines Sprechers deren drei, die dann wie<br />

muntere Stabträger mit leichter Spurt-Überlappung abwechselnd je einen Satz des<br />

ursprünglich in gutem Fluß zusammenhängenden Textes am Mikrophon <strong>und</strong> an den<br />

Ohren des überraschten Hörers vorbeitrugen.<br />

Eine einzigartige Patentlösung war auch immer wieder die des epischen Vortrags mit –<br />

sagen wir – »Doppelpunktdramatik«. Bei ihr konnte man jeden noch so alten Text ohne<br />

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