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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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die Menschen im Kampf liegen, weil aber der Kampf nicht mimisch vorgespielt werden<br />

kann, wirkt die Konzeption ärmlich.<br />

Im Unterschied zur <strong>Dramaturgie</strong> Ionescos kann man die Dürrenmatts weithin für<br />

Hildesheimer in Anspruch nehmen. In den Theaterproblemen entwickelt Dürrenmatt seine<br />

Anschauungen von der klassischen <strong>Dramaturgie</strong> aus. Er zweigt dann von ihr ab, indem er<br />

ausführt, daß man das Tragische <strong>und</strong> das Komische heute nicht mehr rein darstellen<br />

könne, sondern es zum Grotesken mischen müsse. Dieses Groteske hat mit dem<br />

Absurden Ionescos nichts zu tun, es ist noch immer eine sprachlich-geistige, nicht nur<br />

eine mimische Kategorie; Hildesheimer müßte sie akzeptieren können.<br />

Nun findet sich bei Dürrenmatt aber noch eine andere Abzweigung von der klassischen<br />

<strong>Dramaturgie</strong> – da, wo er über das Verhältnis der Exposition oder, wie er sagt, der<br />

»Vorgeschichte« zu den drei aristotelischen Einheiten spricht <strong>und</strong> feststellt, daß, je<br />

einheitlicher man das Sichtbare des Dramas konstruiere, desto mehr in die unsichtbare<br />

Vorgeschichte hineinverlegt werden müsse. Er macht an dieser Stelle eine<br />

Einschränkung, sagt, daß, statt solch einer komplizierten Vorgeschichte, in einem Stück<br />

auch ganz einfach die Situation dominieren könne, <strong>und</strong> daß damit die Einheit ohne<br />

umständliche Exposition möglich werde. Dürrenmatt meint natürlich den Einakter, denkt<br />

bei diesen Ausführungen nicht ans <strong>Hörspiel</strong>. Auch drückt der Begriff Situation, wörtlich<br />

genommen, ja etwas Sichtbares aus, was es im <strong>Hörspiel</strong> unmöglich geben kann: äußere<br />

Lage. Aber Dürrenmatt <strong>und</strong> Hildesheimer haben in ihren R<strong>und</strong>funkarbeiten bewiesen, daß<br />

gewisse groteske Situationen auch allein im Wort exponibel sind. Und damit kann, was<br />

vom Einakter gesagt wird, auch fürs <strong>Hörspiel</strong> gelten, wo es ja auf Kürze der Exposition vor<br />

allem ankommt. Man denke an die jüngsten <strong>Hörspiel</strong>e der beiden Autoren, an<br />

Dürrenmatts 1958 in der österreichischen Aufführung mit dem »Prix Italia« gekröntes<br />

<strong>Hörspiel</strong> Abendst<strong>und</strong>e im Spätherbst <strong>und</strong> an Hildesheimers Unter der Erde (62), jenes im<br />

wesentlichen, dieses ganz <strong>und</strong> gar ein Zweipersonenstück.<br />

Bei Dürrenmatt ist der Witz, daß der Überhemingway, der große Kriminalautor, zugleich<br />

auch der reale Mörder aller zwei<strong>und</strong>zwanzig in seinen Romanen vorkommenden, leider<br />

nicht nur fiktiven Leichen ist. Ein literaturforschender Dilettant, ein kriminalistisch begabter<br />

Schweizer Spießbürger, ist dahintergekommen <strong>und</strong> wird deshalb notgedrungen das<br />

drei<strong>und</strong>zwanzigste Opfer <strong>und</strong> zugleich der willkommene Kriminalfall für das neue <strong>Hörspiel</strong>,<br />

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