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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Es hieß Spuk, wurde in Breslau am 21. Juni 1925 ausgestrahlt, <strong>und</strong> wir wissen nichts von<br />

ihm, als was der Untertitel verrät: Gespenstersonate nach Motiven von E. T. A. Hoffmann.<br />

Interessant ist für uns aber schon die Tatsache, daß Gunold jenen stilistischen Sprung<br />

unternommen zu haben scheint: weg von der Geräuschreportage <strong>und</strong> ins Irreale, vielleicht<br />

Surreale. <strong>Das</strong> entspricht etwa der Polarität, von der Alfred Braun schon im<br />

Zusammenhang mit den ersten Theatersendungen berichtet: hier waffenklirrende Lager-<br />

Realistik, da schwingendes, klingendes Hofmannsthal-Wort ohne jede Beimischung realer<br />

Ingredienzen. ∗<br />

Allerdings, hier ist nun erst wieder eine Legende zu zerstören: Gunold <strong>und</strong> sein Spuk<br />

können, wie sich bei genauer Durchsicht der frühen Programme ergibt, nicht den<br />

Anspruch aufrecht erhalten, die erste deutsche <strong>Hörspiel</strong>sendung geliefert zu haben. Es ist<br />

unbegründet, wenn ihnen in allen geschichtlichen <strong>und</strong> lexikalischen Darstellungen dieser<br />

Ruhm zugestanden wird. Die leidenschaftlichsten Formbastler des R<strong>und</strong>funks vor Alfred<br />

Brauns Berliner Wirksamkeit saßen in Hamburg. Ihre Bastelei dürfte allerdings nicht nur<br />

passioniert, sondern auch ziemlich dilettantisch gewesen sein, das beweist noch ihre<br />

spätere Gipfelleistung im »Großfunkspiel« Der Herr der Erde, das wahrhaft eine globale<br />

Kolportage war. Aber wird Gunold, werden die andern Anfänge gelassener <strong>und</strong><br />

gelungener gewesen sein?<br />

Fest steht, daß in des Hamburger Direktors Sendung Wartburg-Vision schon am 12. Juni<br />

1924 (also mehr als ein Jahr vor Gunolds Spuk-Premiere) die ersten <strong>Hörspiel</strong>-Szenen –<br />

Szenen, die wirklich eigens fürs Mikrophon geschrieben waren – enthalten gewesen sind.<br />

Der Text war, wie die Ehefrau <strong>und</strong> Mitarbeiterin Bodenstedts, Alice Fliegel, mir aus den<br />

Vereinigten Staaten schreibt, »eine Zusammensetzung von Prosa, Dialog- <strong>und</strong><br />

Monologszenen«, also wohl feature-artig. Dagegen war das acht Tage später, am 20.<br />

Juni, gesendete Stück Der tote Gast die Funkbearbeitung eines Einakters der Frau<br />

Direktor, der einer mehrfach auf kleineren Theatern gespielten Einakter-Trilogie<br />

Heiligenland entstammt. <strong>Das</strong> im Sendeprogramm abgedruckte Personenregister dieses<br />

Stücks – Armida, Ritter Rangolf, Notburga, Radwinga – verrät, daß es auch nicht viel<br />

funkgeeigneter gewesen sein dürfte als Bodenstedts historische Luther-Szenen.<br />

∗ Bei Drucklegung dieser Zeilen bek<strong>und</strong>et der Frankfurter <strong>Hörspiel</strong>leiter Ulrich Lauterbach in einer<br />

Korrespondenznotiz, das Manuskript von Spuk sei wieder aufgef<strong>und</strong>en.<br />

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