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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Panne, der makabre Reiz darin liegt, daß die Aburteilung eines Mörders (<strong>und</strong> unserer<br />

ganzen Zeit) vonstatten geht, während der Mörder am gleichen Tisch mit seinen Richtern<br />

schmatzt <strong>und</strong> an Rotweinkorken schnuppert, dann darf man sich nicht w<strong>und</strong>ern, daß das<br />

<strong>Hörspiel</strong> trotz aller freischwebenden Dialektik auf dem Bildschirm beinahe noch mehr<br />

fasziniert, denn die Situation schreit nach konkretem Ausspielen <strong>und</strong> ironischer<br />

Vergegenwärtigung. Aus einem ähnlichen Gr<strong>und</strong>e ist auch die naheliegende, häufig<br />

geäußerte Meinung abwegig, daß Becketts Einakter <strong>Das</strong> letzte Band ein geborenes<br />

<strong>Hörspiel</strong> sei: der »Dialog« zwischen dem Band <strong>und</strong> dem, der seine eigene aufgezeichnete<br />

Stimme hört, »bleibe doch im rein akustischen Bereich«. Nein, das interessante Werk,<br />

obwohl es ihm um die Problematik eines vor Jahren akustisch konservierten Lebens geht,<br />

ist entweder für die Kleinkunstbühne oder für das Fernsehen; nur da wird der Kontrapunkt<br />

zwischen der Bandstimme von früher <strong>und</strong> dem stummen mimischen Reflex von heute,<br />

wird das Innere durch das Äußere in »Großaufnahme« sichtbar.<br />

Im <strong>Hörspiel</strong> geht es nicht darum, das Innere durch das Äußere sichtbar zu machen,<br />

sondern (um es noch einmal zu wiederholen) das Äußere »aus dem inneren<br />

Zusammenhang hervorgehen« zu lassen. <strong>Das</strong> ist genau umgekehrtes Theater.<br />

Aber zurück zu den einfachen handwerklichen Fragen, die sich daraus ergeben, daß sich,<br />

wie Kolb sagt, im R<strong>und</strong>funk »das Stoffliche, Körperliche <strong>und</strong> damit die sichtbare Handlung<br />

nicht wiedergeben« lassen – etwa zu der Frage: wieviel Stimmen in einem <strong>Hörspiel</strong>dialog<br />

(nicht im ganzen <strong>Hörspiel</strong> – das wäre falsch gefragt) nebeneinander unterzubringen, d.h.<br />

unterscheidbar zu machen sind. Wenige nur; die vierte wäre wahrscheinlich schon zu viel,<br />

wenn alle noch als r<strong>und</strong>e Individualitäten erscheinen sollen. Dennoch gibt es auch<br />

darüber hinaus Möglichkeiten: Zusammenfassung zu Gruppen, bei denen die Stimmen<br />

einen Teil des Individuellen zeitweise oder ganz aufgeben, oder klare Gliederung, wobei<br />

abschnittweise einige der Stimmen im Schweigen verschwinden, während zwei oder drei<br />

konzertierend die Auseinandersetzung führen.<br />

Im Schweigen verschwinden? Also bedeutet Schweigen im <strong>Hörspiel</strong> Nichtvorhandensein?<br />

Nein, nimmt man es genau, so bedeutet es eher: Nebelwand, in der alles, wahrhaftig<br />

alles, insgeheim vorhanden ist <strong>und</strong> sich bloß verbirgt, es kann jeden Augenblick<br />

hervortreten. Scharfe Trennung von »im Spiel« <strong>und</strong> »außerhalb des Spiels«, wie es sie<br />

auf der Bühne gibt, kennt das <strong>Hörspiel</strong> nicht; es schwingen bei jedem Ton eine Fülle von<br />

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