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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Natürlich hätte die Entwicklung, hätten all diese Fortschritte nur wenig bedeutet, wären sie<br />

nur eine Sache artifiziellen Geschicks gewesen. Sie waren mehr. Es lag allen Sendungen<br />

jener damaligen R<strong>und</strong>funkmänner – man verzeihe das simple Wortspiel – stets ein<br />

wirkliches Sendungsbewußtsein zugr<strong>und</strong>e, das aus dem Gefühl der einzigartigen<br />

Möglichkeiten des Instruments gerade in dieser Zeit kam. Sie arbeiteten mit aller Kraft<br />

daran, das Mikrophon wieder zu einem universalen <strong>und</strong> glaubwürdigen Mittel zu machen,<br />

eine neue Redlichkeit im Sprechen <strong>und</strong> Denken zu gewinnen <strong>und</strong> eine intellektuelle<br />

Wiedergeburt herbeizuführen, ein Leben ohne politische <strong>und</strong> soziale Vorurteile.<br />

Im November 1946, als noch die große Abwertung wirklicher Schuld durch das allgemeine<br />

Schuldigsprechen in Mode war, wurde ein (literarisch übrigens kaum nennenswertes)<br />

<strong>Hörspiel</strong> von Renate Uhl gesendet: Wer ist ohne Schuld? Auf die Frage eines saturierten<br />

Mannes, dem seine Frau Bereicherung durch Opportunismus vorwirft: »Wäre es dir lieber,<br />

wenn ich zu den politisch Belasteten gehörte?«, antwortet die Frau: »Ja, es wäre mir<br />

lieber, wenn du wenigstens zu denen gehörtest, die guten Glaubens gewesen sind, die<br />

ihre Söhne gaben, weil sie meinten, daß die Idee, für die sie kämpfen sollten, gut sei.<br />

Einen falschen Weg gegangen zu sein, ist keine Schande. Auch auf falschen Wegen gibt<br />

es Idealisten. Und ob <strong>und</strong> warum ein Weg falsch war, erkennt man oft erst viel zu spät.«<br />

Solche Formulierungen konnte man damals vielfach hören. Sie mögen heute vielleicht<br />

unbedeutend wirken, in jenen Tagen der bedingungslosen Unterwerfung <strong>und</strong> bei einem<br />

Instrument, an dem als omnipotente Richter Sieger regierten, waren sie bei denen, die sie<br />

prägten, ein Zeichen des Muts, bei denen, die sie durchgehen ließen, ein Zeichen<br />

erfolgreichen Widerstands gegen die tägliche Versuchung, zu urteilen <strong>und</strong> sich zu<br />

überheben.<br />

Wenn man die Texte von damals durchstudiert, kommt man zu dem Schluß, daß sie<br />

immer barmherzig waren <strong>und</strong> mit den Kranken, die auf den Arzt hofften, niemals ein<br />

frivoles Spiel trieben. Dergleichen aber darf nach einem so entsetzlichen Kriege <strong>und</strong> in<br />

einer Zeit, in der die Unmenschlichkeit noch keineswegs entmachtet ist, durchaus nicht<br />

als selbstverständlich angesehen werden.<br />

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