08.10.2013 Aufrufe

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

http://www.mediaculture-<strong>online</strong>.de<br />

Menschen seiner Heimat auftreten, besonders liebt, Unterm Birnbaum. Die drei eigenen<br />

Stoffe aber waren die folgenden:<br />

Geh nicht nach El Kuwehd, Eichs erstes <strong>Hörspiel</strong>, das im Orient spielt. Es wurde in<br />

München zuerst gesendet <strong>und</strong> erzählt die <strong>Geschichte</strong> des Kaufmanns Mohallab, der auf<br />

der Reise nach Damaskus trotz Warnung in El Kuwehd übernachtet, dort dem Blick <strong>und</strong><br />

Ruf eines Mädchens folgt <strong>und</strong> dabei unter die Räuber fällt, in Sklaverei <strong>und</strong> Tod. Als ihn<br />

der Henker auf Befehl des Sultans gerade vom Felsen in die Tiefe stoßen will, wacht<br />

Mohallab in der Herberge auf, er hat nur geträumt. Aber da steht auch schon vor dem<br />

Lager des Erwachenden die Abgesandte des Mädchens, durch das er in jenes geträumte<br />

Unglück geriet, <strong>und</strong> siehe, er folgt ihr dennoch.<br />

Eichs zweites <strong>Hörspiel</strong> von 1950, Die gekaufte Prüfung, war die erste seiner Arbeiten, die<br />

in Hamburg uraufgeführt wurde, ein zeitgeschichtlich wichtiges Werk, aber für Eich<br />

weniger charakteristisch als El Kuwehd. In den Hungerjahren nach dem Krieg gelingt es<br />

einem Schüler, zwei seiner Lehrer mit Lebensmitteln vom Schwarzen Markt zu bestechen,<br />

so daß er trotz mangelnder Leistungen die Reifeprüfung besteht. Einer dieser Lehrer war<br />

leichtfertig darauf eingegangen, den anderen hatte es einen schweren Kampf gekostet –<br />

zwischen der Pflicht gegen sein Gewissen <strong>und</strong> der Pflicht gegen seine hungerkranken<br />

Kinder. Als die Tat geschehen ist, kann er die Gewissenslast nicht mehr tragen, er<br />

denunziert sich selbst vor dem andern Schuldigen, der inzwischen zum Leiter der Schule<br />

avancierte. Der aber – <strong>und</strong> alle wohlmeinenden Mitwisser ebenso – beschwören ihn zu<br />

bedenken, was die Wiederholung der Selbstbezichtigung an höherem Ort, mit der er<br />

droht, bedeuten würde: für ihn <strong>und</strong> für seine Familie, aber auch für den Kollegen <strong>und</strong> den<br />

Schüler zerbrächen Leben <strong>und</strong> Zukunft.<br />

Eich hat zu diesem Stück drei Schlüsse geschrieben, zwischen denen er den Hörern die<br />

Entscheidung überläßt. Er will beweisen, wie unendlich schwer, ja, unmöglich es ist,<br />

gegen lebendige Menschen für ein abstraktes Pflichtgesetz zu plädieren. <strong>Das</strong> Stück hat<br />

viel Anteilnahme, aber auch manchen Protest hervorgerufen, gerade bei denen, die sich<br />

von Berufs wegen als Hüter kantisch-preußischen Pflichtbewußtseins fühlen: bei den<br />

Lehrern. Aber der Protest mißversteht Eichs Problemstellung, die im Gr<strong>und</strong>e trotz ihrer<br />

Bedenken gegen die Schablone des Preußentums »preußisch« ist. Leider wurde das<br />

<strong>Hörspiel</strong>, weil es im Zusammenhang des Eich-Werks nicht besonders wichtig erscheint,<br />

233

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!