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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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die sich unserm urteilenden Geschmack ungeheuer schnell, schon in wenigen Jahren,<br />

vollständig entzieht <strong>und</strong> uns frühere Qualitäten unverständlich macht.<br />

Viele der großen Mimen, deren Ruhm wir an den hinterlassenen Schallplatten überprüfen,<br />

werden uns fragwürdig, wir können uns beinahe nicht vorstellen, daß es die Möglichkeit<br />

zu einer solchen Wandlung des Urteils gibt. Dabei taucht noch ein weiterer Verdacht auf,<br />

in dem uns unsere heutigen literarischen Neigungen bestärken: ob wir uns nicht selbst<br />

vielleicht im tiefen Wellental einer Mode, der Understatement-Mode, befinden –<br />

möglicherweise an einem Umkehrpunkt, nach dem uns dann eines Tages manche der<br />

jetzt mißachteten alten Leistungen wieder vertrauter werden. Nur unter der Voraussetzung<br />

solcher Skepsis kann man über die Entwicklung auf dem Gebiet der Produktion reden.<br />

Doch möchte ich mit der Skepsis, da ich schon einmal mit ihr begonnen habe, noch einen<br />

Schritt weitergehen <strong>und</strong> fragen, ob nicht zum Teil auch die <strong>Hörspiel</strong>kunst selber, oder<br />

zumindest ihre heutige literarische Geltung, Kinder der Liebe zum Understatement sind?<br />

Bei dieser Kunstform, diesem schattenhaft leisen Abbild des Theaters, das in ihr bis zur<br />

Unkörperlichkeit abgeschwächt ist, scheint obendrein innerhalb des letzten Jahrzehnts<br />

eine immanente Entwicklung spürbar, die zu immer sparsamerem Gebrauch der<br />

theatralischen <strong>und</strong> effektuösen Mittel drängt: Blenden, Geräusche <strong>und</strong> Musiken werden<br />

den Autoren <strong>und</strong> Regisseuren immer uninteressanter.<br />

Andererseits – ich muß auch die entgegengesetzten Bedenken zu Wort kommen lassen –<br />

ist die Entwicklung zum Leisen <strong>und</strong> »Kunstlosen« keineswegs von den Machern forciert.<br />

So sparsam man beim Gebrauch von Musik <strong>und</strong> Geräuschen geworden ist: es hat in<br />

dieser Hinsicht, außer dem Knilli-Protest, niemals auch nur ein einziger Hörerwunsch<br />

nach mehr die Redaktionen erreicht. Im Gegenteil gibt es (freilich durch Schuld der Hörer<br />

<strong>und</strong> von falsch gehandhabter Einstellung des Frequenzganges der Empfangsgeräte<br />

bewirkt ∗ ) immer wieder Klagen, daß Geräusch <strong>und</strong> Musik im Verhältnis zum Wort zu stark<br />

eingeblendet würden.<br />

<strong>Das</strong> Ohr ist ein empfindsames <strong>und</strong> auf leise Schwebungen eingestelltes Organ, darauf<br />

beruhen alle seine so vielfältigen <strong>und</strong> innerlichen Möglichkeiten. Unter Schwerhörigen<br />

∗ Die Hörer machen sich die Geräusche dadurch selbst lauter, daß sie einer weitverbreiteten schlechten<br />

Gewohnheit folgen <strong>und</strong> an ihrem Gerät die tiefen Frequenzen heben, die hohen drosseln. So drosseln sie<br />

das Wort, holen die Geräusche herauf.<br />

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