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Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte - Mediaculture online

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Schwierigkeiten, weil sich plötzlich herausstellt, daß irgendeins seiner inneren Organe<br />

einen leisen, aber durchdringenden Heulton von sich gibt, der nur im Fortissimo notdürftig<br />

zu übertönen ist; die medizinischen <strong>und</strong> musikalischen Versuche, die mit ihm angestellt<br />

werden, sind voll abenteuerlicher Tragikomik.<br />

Noch toller geht es zu in der berühmten <strong>Hörspiel</strong>groteske des Amerikaners Norman<br />

Corwin Doppelkonzert. Zwei konkurrierende Pianisten hassen sich so, daß der eine dem<br />

andern vor dessen Konzertauftritt Sprengladungen in den Flügel einbaut. Die Hörer sind<br />

natürlich unterrichtet, als das Konzert beginnt, so daß das große Klaviersolo sie gerade,<br />

weil lange Zeit nichts geschieht, ungemein aufregt. Dann aber folgt eine Explosion der<br />

andern in effektvollen Abständen, jedesmal reißt ein Teil der Klaviersaiten, während die<br />

restlichen mit gutem Gr<strong>und</strong> immer verstimmter werden. Doch der nervenstarke Pianist läßt<br />

sich nicht verdrießen, sein Spiel wird naturgemäß immer origineller, <strong>und</strong> als die letzte<br />

Detonation, die vom Instrument nichts übrig läßt, zum großen Finaleffekt wird, ist auch der<br />

Erfolg sensationell.<br />

Nun ist bekanntlich in Komödie <strong>und</strong> Groteske alles möglich. In Ionescos nicht übermäßig<br />

bedeutendem Zehnminuten-Hörsketch Der Automobilsalon reden die Fahrzeuge mit<br />

elektronischen Tierstimmen wie in einer Kombination aus Hühnerhof <strong>und</strong> Kuhstall <strong>und</strong> der<br />

Verkäufer wie ein Kuppler, der Odalisken feilhält. Zu Christian Bocks <strong>und</strong> Herbert<br />

Reineckers tiefsinniger <strong>Hörspiel</strong>komödie Der Teufel fährt in der Dritten Klasse ist Siegfried<br />

Franz eine leise rhythmische Eisenbahnfahrt-Melodie eingefallen, die den Szenen wie ein<br />

Geräusch unterlegt bleibt, <strong>und</strong> deren besonderer Spaß es ist, daß das immer<br />

wiederkehrende Auf- <strong>und</strong> Zuschieben der Rolltür des Abteils, mit einer obligaten Melodie<br />

einkomponiert, jedes Kommen <strong>und</strong> Gehen anzeigt. Und in Hildesheimers Atelierfest<br />

macht Schröder-Jahn mit dem Loch in der Wand, durch das die Musik tönt <strong>und</strong> durch das<br />

ein- <strong>und</strong> ausgestiegen wird, ähnliche Scherze. Im Komischen <strong>und</strong> Grotesken lassen sich<br />

also sogar aus der langweiligen Not, die das <strong>Hörspiel</strong> mit Auftritten <strong>und</strong> Abgängen zu<br />

haben pflegt, Tugenden machen.<br />

Solche Einfälle nähern sich allerdings schon den erwähnten Techniken des musikalischen<br />

Trickfilms, <strong>und</strong> man muß damit rechnen, daß ein Stück mit solcher Musik einseitig auf die<br />

niedlich-grotesken Komponenten festgelegt wird. Bei einem der schönsten <strong>Hörspiel</strong>e<br />

Wolfgang Hildesheimers, Herrn Walsers Raben, entstand durch Rabenmusik die Gefahr,<br />

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