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Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net

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tragen können, es dafür anzuerkennen. [104 Deutet an, daß es langer<br />

Entwicklung bedurfte, um <strong>die</strong> Vorstellung von Göttern und Gott bestimmt<br />

zu machen und zu bestimmtester Bestimmtheit: der eine und einzige, zu<br />

bringen. Dennoch ist <strong>die</strong> Unbestimmtheit, <strong>die</strong> hier am Anfang steht, nicht<br />

<strong>die</strong> der Willkür und Beliebigkeit, sondern <strong>die</strong> einer verzweifelten Suche<br />

und Furcht.<br />

<strong>Hegel</strong> drückt sich unbestimmt aus: das Geschichtliche ist unabdingbare<br />

Seite des Erscheinens des Höheren; <strong>die</strong> Ungewissheit ist <strong>die</strong> Konsequenz<br />

der Unbestimmtheit, der Weg von der magischen Religion der Naturvölker<br />

zu den mythischen der sogenannten Hochkulturvölker ist ein geradezu<br />

unvorstellbar langer Weg gewesen.<br />

Während unsere Kultur keine Bedenken (mehr) kennt, beispielsweise <strong>die</strong><br />

Kultur der Azteken als Hochkultur einzustufen, würde <strong>Hegel</strong> (zu Recht)<br />

Zweifel an solcher Hochstufung anmelden; denn eine Kultur, deren<br />

Religion <strong>die</strong> Ausschneidung menschlicher Herzen im Zentrum ihres Kultes<br />

führt - eines der unmenschlichsten Menschenopfer, das sich denken lässt -<br />

hat auf den (ohnehin durch kulturrelativistische Kulturwissenschaften<br />

eingeführten) beliebigen Terminus „Hochkultur“ wenig Anrecht. - Die<br />

Azteken bedurften keines <strong>Beweise</strong>s, daß ihre Götter lebten, denn <strong>die</strong> mit<br />

Menschenblut stets gefüllten Blutschalen zu Füssen ihrer Opferpyramiden<br />

waren ihnen mehr als ein Beweis.]<br />

VIII. - Über <strong>die</strong> Namen Tien und Schang-ti, jenes Himmel, <strong>die</strong>ses Herr, in<br />

der chinesischen Staatsreligion ist der bitterste Streit zwischen<br />

katholischen Mönchsorden geführt worden, ob <strong>die</strong>se Namen für den<br />

christlichen Gott gebraucht werden können, d. h. ob durch jene Namen<br />

nicht Vorstellungen ausgedrückt werden, welche unseren Vorstellungen<br />

von Gott ganz und gar zuwider seien, so daß sie nichts<br />

Gemeinschaftliches, nicht einmal das gemeinschaftliche Abstraktum von<br />

Gott enthielten. Die Bibel be<strong>die</strong>nt sich des Ausdrucks: "Die Heiden, <strong>die</strong><br />

von Gott nichts wissen", obgleich <strong>die</strong>se Heiden Götzen<strong>die</strong>ner waren, d. h.,<br />

wie man es wohl nennt, eine Religion hatten, wobei wir jedoch Gott von<br />

einem Götzen unterscheiden und bei aller modernen Weite des Namens<br />

Religion uns vielleicht doch scheuen, einem Götzen den Namen Gott zu<br />

geben. [105 Mit leichter Hand stöbert <strong>Hegel</strong> einen fundamentalen<br />

Unterschied auf: den der unterschiedlichen Vorstellungen, <strong>die</strong> Menschen<br />

<strong>über</strong> Götter und Gott hegten und pflegten. Vorstellungen und<br />

Vorstellungsweisen, denen das Problem der Gottesbeweise unbekannt<br />

blieb. Und <strong>die</strong>s offensichtlich nicht darum, weil <strong>die</strong>se Vorstellungen von<br />

einer Wahrheit waren, <strong>die</strong> keines <strong>Beweise</strong>s bedurften, sondern weil <strong>die</strong>se<br />

Vorstellungen sich noch nicht mit der Welt des Denkens und des<br />

Gedankens einlassen konnten, sollten und wollten.<br />

Sie waren selbstbeweisender Natur, selbstevident, unhinterfragbar,<br />

unhinterdenkbar. Sie kannten nicht den Unterschied von Sein und Schein,<br />

und ihr Horizont umfasste allen Welthorizont des jeweiligen Bewusstseins.<br />

Allein durch und in seinen (Götter- und Gottes)Vorstellungen war es<br />

Bewusstsein, Geist und lebendige Welt und selbstverständliche Kultur.<br />

Und obwohl solches Vorstellen für uns unvorstellbar geworden ist, lässt es<br />

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