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Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net

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hält sich wesentlich als Selbstbewußtsein fest, dem solche Bestimmtheit<br />

inhäriert. Das Selbst ist dem Bewußtsein der Gegenstand, den es vor sich<br />

hat, <strong>die</strong> Substanz, <strong>die</strong> den Inhalt nur als ein Attribut, als ein Prädikat an<br />

ihm hat, so daß nicht er das Selbständige ist, in welchem das Subjekt sich<br />

aufhebt. Dieses ist sich auf solche Weise ein fixierter Zustand, den man<br />

das Gefühlsleben genannt hat. [69 Beschränkt sich das Bewußtsein auf<br />

Gefühl und Herz „aus Grundsatz“, dann ist der Akt <strong>die</strong>ser Beschränkung<br />

natürlich ein sozusagen vorsätzlicher Gedanke; das Bewußtsein<br />

widerspricht sich somit, wenn es behauptet, im Gefühl sei alles, das Herz<br />

sei alles, das Gefühl sei bei der Religion das Wesentliche.<br />

Denn <strong>die</strong>ses Wesentliche könnte sich selbst nicht einmal sagen; und auch<br />

<strong>die</strong> Entscheidung dafür erfolgt nicht rein aus dem Gefühl, sondern aus<br />

einer Abwehr des bestimmten und konkreten Denkens durch einen<br />

abstrakten Gedanken, durch den „Glauben“, daß das Gefühl das Wesen<br />

der Sache sei.<br />

Diese Gefühlsreduktion ist daher dem Neuen Testament völlig fremd; sie<br />

ist eine Äußerung der neuzeitlichen - nicht mehr wahren und noch nicht<br />

freien - Religiosität, also eine Reduktion derselben auf <strong>die</strong> säkulare<br />

Abstraktion von Gefühl. Dies widerspricht nicht den vorigen Thesen, daß<br />

<strong>die</strong> Religion auch und vollends im Gefühl sein müsse, weil, was nicht<br />

gefühlt, nicht wirklich das Subjekt durchdrungen habe.<br />

Worauf sich das „seiner selbst“ bei „herabsetzen“ bezieht, scheint<br />

zunächst unklar formuliert: doch es ist zweifelsfrei gemeint, daß der Inhalt<br />

auf <strong>die</strong> Bestimmtheit des abstrakten Bewußtsein verkürzt wird. Das<br />

Moment der Ichhaftigkeit, der Jemeinigkeit am religiösen Inhalt wird<br />

sogleich fixiert, wenn jene Beschränkung auf das Gefühl als Gefühl „aus<br />

Grundsatz“ vorgenommen wurde.<br />

Im Grunde trifft <strong>die</strong> Möglichkeit <strong>die</strong>ser Reduktion ja alle Inhalte des<br />

Bewußtseins; jemand könnte sein Empfinden an und in jeder Sache<br />

fetischisieren, weil er eben sich als Empfindenden fixieren möchte oder<br />

muß; weil er sich darin als <strong>die</strong>sen Einzelnen und Einzigen, als<br />

unverwechselbaren besitzt - oder besitzen muß; nicht zufällig versteift<br />

sich das kindliche Gemüt auf dergleichen, - auf seine Gefühle, seine<br />

Sympathien und Antipathien.<br />

Ein Ich, das sich aber nur oder hauptsächlich nur in seinen Gefühlen als<br />

Ich erfährt, als Selbstbewußtsein in den Inhalten seines Bewußtseins,<br />

verhält sich abstrakt zu <strong>die</strong>sen Inhalten und damit auch abstrakt zu sich<br />

selbst. Zwar scheint es sich am allerkonkretesten zu verhalten, weil es<br />

sich als <strong>die</strong>sen Einzelnen fixiert und gleichsam auf den Thron seiner<br />

allgewaltigen Subjektivität setzt, aber in <strong>die</strong>ser Selbstliebe ist der Inhalt<br />

zugunsten des sich selbst empfindenden Ichs verduftet. Daß Ich <strong>die</strong>s tue,<br />

<strong>die</strong>s und jenes dabei empfinde undsofort, ist dann das Wichtige; daß das<br />

Ich eines Hofrates das Café betritt, ist <strong>die</strong>sem wichtig (Dialektik von Stolz<br />

und Ehre), nicht der Gang ins Cafe und dessen Zweck, - nämlich sich <strong>vom</strong><br />

eigenen Ich-Kampf zu erholen.<br />

Reduziert sich also das Leben in seiner unendlichen Vielheit und nach<br />

außen gerichteten Bewegung, nicht zuletzt seiner Sozialität, so reduziert<br />

es sich auf „Gefühlsleben“, worin jeder Inhalt seiner Objektivität nach<br />

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