Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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Nun ist der Mensch aber als endlicher, mag er auch in der wahren<br />
unendlichen Unendlichkeit endlicher sein und sein müssen, ein<br />
Sinnenwesen wie ein Geistwesen, auch handelnd und leidend, somit in<br />
eine endliche Geschichte verflochten (wie in einen Teppich eingewebt), -<br />
in <strong>die</strong> große allgemeine der Menschheit und in seine regional spezielle wie<br />
auch in seine ganz individuelle Geschichte (macht drei Teppiche).<br />
Daß in dem Für-das-Innere-Sein des Gottes liegt, daß er für Individuen,<br />
für individuelle Geister sein muß, <strong>die</strong> niemals identisch einander noch in<br />
dem Ganzen ihres Kollektivs (Gemeinde, Umma undsofort) sein können,<br />
ein Brennpunkt der Vermittlung des Unendlichen und des Endlichen liegt,<br />
versteht sich.<br />
Die Gemeinschaft kann niemals absolut und erschöpfend wissen, wie und<br />
was genau <strong>vom</strong> unendlichen Inhalt, wie ihn <strong>die</strong> jeweilige Religion<br />
vorbestimmt und definiert, wirklich im Individuum ankommt. Ein<br />
Unsicherheitsfaktor, genannt Mensch, den <strong>die</strong> Religionen durch kluge<br />
Strategien abzusichern trachteten und trachten. Auf das Individuum fällt<br />
nämlich der Verdacht, durch seine kontingente Individualität zum<br />
nominalistischen Zerfall des Inhaltes der Religion (Gott und sein<br />
Bestimmen) nicht nur beizutragen, sondern der Keim und der Kern des<br />
Zerfallsübels (Individualisierung und Privatisierung) zu sein.<br />
So daß am Ende jeder selbst sich „seinen“ Gott zu beweisen hätte. Woher<br />
kommt <strong>die</strong> „Kraft von <strong>Beweise</strong>n?“ Jeder kann doch von sich - als<br />
Adressaten - zum Adressierenden <strong>über</strong>gehen, an <strong>die</strong>sen sich richten, von<br />
sich als Addressanden zum Adressaten als Endpunkt sich bewegen, um im<br />
Endpunkt den wirklichen Ausgangspunkt zu erkennen.]<br />
Ebenso muß gegen <strong>die</strong> andere unendliche Möglichkeit der Täuschung und<br />
des Irrtums auf den Wegen zur Wahrheit <strong>die</strong> Bestätigung und Befestigung<br />
der Überzeugung durch <strong>die</strong> Wiederholung der Erfahrungen von den Wegen<br />
zur Wahrheit als erforderlich erscheinen. In dem Subjekte stärkt sich <strong>die</strong><br />
Zuversicht und Innigkeit des Glaubens an Gott durch <strong>die</strong> Wiederholung<br />
des wesentlichen Erhebens des Geistes zu demselben und <strong>die</strong> Erfahrung<br />
und das Erkennen desselben als Weisheit, Vorsehung in unzähligen<br />
Gegenständen, Ereignissen und Begebnissen. [150 Erfolgt <strong>die</strong> Bestätigung<br />
(der Beweis) des Inhaltes (also <strong>die</strong> „Überzeugung“, daß ich an <strong>die</strong><br />
Wahrheit glaube) allein oder hauptsächlich durch <strong>die</strong> Erfahrung, dann ist<br />
<strong>die</strong>se, (weil stets nur Erfahrung, nicht Wissen, also stets durch<br />
schwankende empirische Referenzgründe bedingt, <strong>die</strong> durch andere<br />
ersetzt, von anderen in Frage gestellt werden können) einer<br />
Immunisierung durch Wiederholung bedürftig (Genesis, Fortbestand und<br />
Bewährung von Erfahrungswissen sind ohne Wiederholung wiederholter<br />
Erfahrungsinhalte unmöglich; aber dennoch bleibt alles Erfahrungswissen<br />
irrtumsanfällig, - es ist endlicher Geist in actu). Die rituelle Wiederholung<br />
ist der Selbstbeweis der Erfahrung; daß <strong>die</strong>ser kein Beweis durch Begriff<br />
und Wissen im Sinne eines absolut wissenden - vermittelten - Wissens<br />
sein kann, versteht sich. (Theologie ist nicht identisch mit Glauben und<br />
Religionsvollzug.)<br />
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