Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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Bei Parmenides findet sich zwar, daß <strong>die</strong>s Eine als Denken bestimmt wird<br />
oder daß das Denkende das Seiende ist, auch bei Spinoza ist <strong>die</strong> Substanz<br />
als Einheit des Seins (der Ausdehnung) und des Denkens bestimmt; allein<br />
darum kann man nicht sagen, <strong>die</strong>s Sein oder <strong>die</strong> Substanz sei hiermit als<br />
denkend, d. h. als sich in sich bestimmende Tätigkeit gesetzt; sondern <strong>die</strong><br />
Einheit des Seins und des Denkens bleibt als das Eine, Unbewegte, Starre<br />
gefaßt. Es ist äußerliche Unterscheidung, in Attribute und Modi, Bewegung<br />
und Willen, Unterscheiden des Verstandes. [376 Kurz: Spinoza habe <strong>die</strong><br />
Idee als Einheit des Begriffes und der Realität gefunden, aber er habe sie<br />
nicht bewegt, nicht als Bewegung, nicht als Produktion, nicht als<br />
schaffendes Prinzip erkannt und dargestellt. Ein mittels more geometrico<br />
auskonstruiertes Absolutes kann es sich allerdings „leisten“, sich nicht<br />
darum bekümmern zu müssen, wie <strong>die</strong> Welt zustande gekommen, und wie<br />
sie zusammenzuhalten wäre.<br />
Seit dem Erscheinen der Evolution im Bewußtsein der Menschheit sind<br />
dergleichen Ontologien wohl für immer unmöglich geworden. In der<br />
theoretischen Physik fristen sie als mathematische Spielereien ein<br />
Restdasein, manchmal im Verbund einer Theorie, <strong>die</strong> alle sogenannten<br />
Grundkräfte der Welt aus einer Kraft deduzieren soll. Merkwürdig <strong>die</strong><br />
Überlebenskraft <strong>die</strong>ses ehrwürdigen Begriffes (<strong>die</strong> Kraft und ihre Kräfte);<br />
er gehört ins Inventar des 19. Jahrhundert.]<br />
Das Eine ist nicht expliziert als <strong>die</strong> sich entwickelnde Notwendigkeit, -<br />
nicht, wie ihr Begriff angegeben worden ist, als der Prozeß, der sie in ihr<br />
mit sich vermittelt. Wenn hier das Prinzip der Bewegung fehlt, so ist<br />
dasselbe wohl in konkreteren Prinzipien, dem Fließen des Heraklit, auch<br />
der Zahl usf. wohl vorhanden, aber teils ist <strong>die</strong> Einheit des Seins, <strong>die</strong><br />
göttliche Sichselbstgleichheit nicht erhalten, teils ist solches Prinzip mit<br />
der gemein seienden Welt in ebensolchem Verhältnis als jenes Sein, Eines<br />
oder Substanz. [377 <strong>Hegel</strong>s Grundthese, zumeist nicht ausgesprochen,<br />
aber vorausgesetzt: der Begriff umfasse, beinhalte und begründe alle<br />
<strong>die</strong>se angeblichen Letztkategorien und Letztprinzipien (der vormaligen,<br />
antiken und neuzeitlichen Substanzphilosophien); er allein habe und sei<br />
jene gesuchte Bewegung, <strong>die</strong> sich in <strong>die</strong>ser nicht verliere, <strong>die</strong> sich im<br />
Weltschaffen zugleich auf sich zurückbeziehe, und <strong>die</strong> es erlaube und<br />
ernötige, ein gegliedertes System von Realphilosophien aus der einen<br />
Idealphilosophie, <strong>die</strong> der Idee Selbstdarstellung sei, abzuleiten.<br />
Aus der Position <strong>die</strong>ser Grundthese schießen <strong>die</strong> Invektiven <strong>Hegel</strong>s, fliegen<br />
deren Pfeile gegen <strong>die</strong> genannten Substanzontologien der Tradition. Und<br />
ihr Grundfehler sei, daß sie das Denken (des Begriffes) entweder außer<br />
sich haben oder ein bloß verständiges Denken an den Begriff äußerlich<br />
heranbringen.<br />
Es versteht sich, daß <strong>die</strong>se Kritik auch <strong>die</strong> Transzendentalphilosophie<br />
Kants trifft; in gewisser Weise noch schärfer, weil sie dem Begriff gar nicht<br />
<strong>die</strong> Kraft und Macht zutraut, das Sein in den Begriff aufzuheben, das Sein<br />
aus dem Begriff herauszusetzen, oder kurz: beide in eins zu setzen. Der<br />
Begriff sei drüben; das Sein sei hier; drüben der Sack voller Schätze, hier<br />
aber das Sein, das sich in jenem Sack nicht finde, sondern aus der<br />
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