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Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net

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Einerseits sei das Zufällige nur das Zufällige; es ist demnach egal, was wir<br />

tun, da es ohnehin im Reich des Fatums unnötig ist; andererseits fordert<br />

<strong>die</strong> kontingente Welt ihr Recht, in ihr muß gehandelt werden; wie nun?<br />

Aus Freiheit oder aus Notwendigkeit? Aus Einsicht oder aus „Vorschrift“? -<br />

Der Islam behilft sich in <strong>die</strong>sem Dilemma bekanntlich mit einem<br />

juridischen Winkel- und Advokatensystem: obwohl doch das Gesetz des<br />

Buchstabens deutlich genug spreche, bedarf es des Zuspruchs deutender<br />

Rechtsgelehrter, <strong>die</strong> allein befugt seien, den Sinn des Spruches zu<br />

„aktualisieren“, weil, man glaubt es kaum, <strong>die</strong>se Welt nicht <strong>die</strong>selbe<br />

geblieben ist, <strong>die</strong> sie in den Tagen der islamischen Religionsgründung<br />

gewesen ist. Dieser Betriebsunfall, der jeder Religionsgründung<br />

unterlaufen muß, <strong>die</strong> ein transzendentes Weltgesetz-System aufstellt,<br />

kann durch Religion weder verhindert noch saniert werden.<br />

Fällt jede unserer Handlungen letztlich und erstlich in das Vorhandeln<br />

eines Fatums zurück, dann ist in allen Handlungen <strong>die</strong>ses eine<br />

aufzusuchen; <strong>die</strong>ses aber ist der Wille des Fatums (Allah); und <strong>die</strong><br />

Beugung des endlichen Willens vor und unter den absoluten Willen bleibt<br />

als einzig freie Handlung, der Notwendigkeit zukomme, zurück; alle<br />

anderen sind nur zufällige; nach Belieben kann man in ihnen verfahren.<br />

Ohne Zweifel ein Verhängnis, wenn nämlich <strong>die</strong>ser Standpunkt in <strong>die</strong> Nähe<br />

einer Welt kommt, <strong>die</strong> nach Vernunft- und Verstandesgesetzen<br />

Handlungen setzt und fordert.]<br />

Das, was wir als <strong>die</strong> absolute Notwendigkeit bestimmt haben, ist näher<br />

zum allgemeinen Sein, zur Substanz zu hypostasieren; als Resultat ist sie<br />

<strong>die</strong> durch Aufheben der Vermittlung mit sich vermittelte Einheit, - so<br />

einfaches Sein, sie allein das Subsistieren der Dinge. Wenn vorhin an <strong>die</strong><br />

Notwendigkeit als griechisches Schicksal erinnert worden ist, so ist sie <strong>die</strong><br />

bestimmungslose Macht; aber das Sein selbst ist von jener Abstraktion<br />

schon zu <strong>die</strong>sen herabgestiegen, <strong>über</strong> denen sie sein soll. Jedoch wäre<br />

auch das Wesen oder <strong>die</strong> Substanz selbst nur das Abstraktum, so hätten<br />

<strong>die</strong> Dinge außer ihr das selbständige Bestehen konkreter Individualität; sie<br />

muß zugleich als <strong>die</strong> Macht derselben bestimmt sein, das negative Prinzip,<br />

welches sich in ihnen geltend macht, wodurch sie eben das Vergehende,<br />

Vergängliche, nur Erscheinung sind. [348 Die Notwendigkeit ist nicht nur<br />

Gedanke; sie ist Sein, unhintergehbares Weltparadigma; es ist notwendig,<br />

daß <strong>die</strong> Gottheit verfügt hat, was verfügt ist; aber was sie verfügt hat, ist<br />

nicht durch Vernunft ausgewiesen, nicht durch Vernunft verbindlich; daran<br />

wird ersichtlich, daß <strong>die</strong> Religionen der Substanz späte Derivate von<br />

Naturreligion sein müssen, weil allein „<strong>die</strong> Natur“ eine Substanz ist, <strong>die</strong><br />

das Handeln des Menschen „substantiell“ regeln zu können scheint.<br />

Das Ende der Substanzreligionen geht daher auch immer mit einem Ende<br />

dessen einher, was in ihnen als Natur, als unberührbare und nicht zu<br />

berührende (nicht zu verzehrende) tabuisiert war und ist. Mit der<br />

Befreiung von ihrer „Natur“ werden <strong>die</strong> Dinge, auch <strong>die</strong> der Natur, zu<br />

selbständigen Individualitäten, in der modernen Welt genießt auch das<br />

Schwein <strong>die</strong> Segnungen des Tierschutzes, obwohl es zugleich ungeniert als<br />

Schnitzel verzehrt werden darf. ]<br />

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