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Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net

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gegen das denkende der Philosophie hält, es glaubt das konkrete<br />

Lebensbewußtsein zu sein, indes doch einsichtig ist, daß es sich von einer<br />

Abstraktion zur anderen bewegt, ohne <strong>die</strong>se Bewegung zu und in sich zu<br />

reflektieren. Es selbst ist also der Versuch, ein nur Unmittelbares sein zu<br />

wollen.<br />

Nun ist es ganz richtig, daß wir in jedem Augenblick nur dessen Inhalt und<br />

nicht andere tun und in uns konzentrieren sollen, sogar unter möglichst<br />

intensiver Tempodrosselung, - versenkt sein ist alles; aber <strong>die</strong>se<br />

Unmittelbarkeit ist gerade wegen ihrer intensiven Unmittelbarkeit in sich<br />

von äußerster Vermittlung und Selbstvermittlung, weil darin <strong>die</strong><br />

Anwesenheit der erfahrbaren und daher mit Differenzen erfüllten<br />

Augenblicklichkeit geschieht.<br />

Tue alles, was du tust, mit ganzer Konzentration: <strong>die</strong>s besagt, werde dir<br />

der unzähligen Unterschiede in den scheinbar ganz einfachen Tätigkeiten,<br />

der unzähligen Vermittlungen in den scheinbaren Unmittelbarkeiten<br />

bewußt. Sei eine ganz einfache Beziehung, um dich als eine unendliche zu<br />

erfahren. Wärest du nur <strong>die</strong> einfache, wärest du <strong>die</strong> Abstraktion des Seins,<br />

ein leeres Ist, ein Bewußtsein ohne Sache, eine unmögliche Möglichkeit.<br />

Dies Abstrahieren kann wohl notwendig sein, gleichsam als Propädeutik,<br />

wenn wir zuviel an flüchtigen, untemperierten und unverarbeiteten<br />

Inhalten aufgeladen haben; aber es kann kein Bewußtsein dabei stehen<br />

bleiben, weil es sich darin zu einem Nichts von Bewußtsein, zu einem<br />

nichtigen und leeren machen würde. - Die einfache Abstraktion des Ist,<br />

<strong>die</strong> wir in der Kopula unserer Sätze unentwegt aussagen und allem<br />

Seienden zusagen, eine Aussage, <strong>die</strong> sich scheinbar jedes Inhaltes<br />

enthält, ist als inhaltsloses Wissen nur möglich als Wissen von der<br />

Inhaltslosigkeit des Seins; dessen Unbestimmtheit muß nämlich von uns<br />

als solche bestimmt werden.<br />

Folglich ist auch <strong>die</strong>se scheinbar vorgegebene und absolute<br />

Unmittelbarkeit, denn was wäre einfacher als Sein, eine vermittelte. Sie<br />

enthält eine Negation, - als Unbestimmtheit <strong>die</strong> Negation von<br />

Bestimmtheit, durch <strong>die</strong> es sich als Unbestimmtheit bestimmen muß, als<br />

Sein <strong>die</strong> Negation von Nichts, worin es sich als Sein <strong>vom</strong> Nichts immer<br />

schon abgestoßen hat usf.<br />

<strong>Hegel</strong> zeigt daher zurecht, daß der Versuch des Glaubens, sich als Gestalt<br />

eines unmittelbaren Nichtwissens qua glaubenden Wissens zu<br />

präten<strong>die</strong>ren, selbstwidersprüchlich ist. Auch für den Glauben gilt <strong>die</strong><br />

Vermitteltheit alles dessen, was er als unmittelbar behauptet. Bekanntlich<br />

gilt <strong>die</strong>s gerade bezüglich des sogenannten hermeneutischen Zirkels im<br />

Verstehen, Annehmen und Auslegen der Schrift.<br />

Jene, <strong>die</strong> sagen, der Wortlaut als solcher soll genommen werden, wie er<br />

dasteht, er soll in seiner unausgelegten Unmittelbarkeit geglaubt und<br />

verstanden werden, wissen nicht, was sie sagen und fordern; - sie fordern<br />

eine Unmöglichkeit, denn sie bewegen sich in jener illusionären Erwartung<br />

des vorstellenden Bewußtseins, das gleichsam ein nichtvorhandenes, ein<br />

unwirkliches Bewußtsein erdichtet. Denn Annehmen, Verstehen,<br />

Vollziehen, selbst „Auswendiglernen“ von vorgegebene Texten enthält eine<br />

Differenz, eine Distanz zur und eine Distanzierung von der Sache, <strong>die</strong> als<br />

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