Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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<strong>Hegel</strong> moniert einen Formfehler, und <strong>die</strong>s bedeutet: einen Vernunftfehler<br />
in jener Erhebung, <strong>die</strong> meint, von bloß kontingenter Welt, von bloßer<br />
Endlichkeit ausgehen und <strong>die</strong> Erhebung anfangen zu können. Demnach<br />
gibt es eine absolute Formwahrheit, <strong>die</strong> von Religion und Theologie nicht<br />
unterschritten werden darf, wollen sie nicht unter- oder vorvernünftig<br />
agieren und denken. Freilich kann nur der eingesehene oder zugestandene<br />
ontologische Gottesbeweis belegen, daß Endliches ohne Unendliches<br />
undenkbar, daß Welt ohne Gott unmöglich sind.<br />
Daß in der Antike Griechenlands allein Philosophie jene Instanz war, in der<br />
ein Absolutes als „an sich selbst seiende Notwendigkeit“ gedacht werden<br />
konnte, liegt schon in Relativität des griechischen Mythos; deren Götter<br />
hatten Entstehungsgeschichten, <strong>die</strong> in ungewisse Ursprungsgeschichten<br />
sich verliefen, wenn auch das Schicksal „<strong>über</strong> allen stand.“<br />
In der jüdischen Religion, auch in der christlichen, sofern sie sich mit der<br />
jüdischen vermittelte, sollte der lückenlose Stammbaum Christi belegen,<br />
daß strengste Notwendigkeit zur Erscheinung des Messias geführt habe.<br />
Dem aber widersprach <strong>die</strong> Verkündigung, daß der Messias schon „vor der<br />
Welt“ mit dem Vater eins war und ist. Auch <strong>die</strong>s <strong>die</strong> These einer „an sich<br />
selbst seienden Notwendigkeit“, <strong>die</strong> freilich den „Vorteil“ hat, für <strong>die</strong><br />
Vorstellung vorstellbar zu sein.<br />
Im Grunde gilt <strong>die</strong> von <strong>Hegel</strong> für <strong>die</strong> Antike behauptete Relation: Denken<br />
der Philosophie einerseits, Vorstellen des Bewusstseins andererseits bis<br />
heute und bis heute auch für Begriff und Realität von Religion und<br />
Christentum. Dies erhebt <strong>die</strong> Frage, ob „Gedankenbestimmung“ das<br />
„Letzte von allem“ sein kann und wie? Resultiert in der <strong>Hegel</strong>schen<br />
Perspektive der Begriff (und dessen Vernunftnotwendigkeit) als das Erste<br />
und Letzte „von allem“, dann auch für das religiöse Geschehen, etwa für<br />
<strong>die</strong> christliche Offenbarung. Wieder treffen wir auf das Telos einer<br />
Vernunftreligion, in der sich das Wesen und <strong>die</strong> Geschichte der<br />
bestimmten Religionen (vor-monotheistischer und monotheistischer)<br />
erfüllen soll.<br />
Ist es Aufgabe der Philosophie, als Statthalterin der „allgemeinen Formen<br />
für sich“ zu fungieren, und kommen <strong>die</strong>se „allgemeinen Formen“ zugleich<br />
in jeder Religion und deren Theologie unhintergehbar vor, dann ist a) der<br />
Inhalt <strong>die</strong>ser Formen und b) deren Wirkweise in den Inhalten von Religion<br />
und Welt entscheidend für jede Art künftiger Religion und Theologie.<br />
Vornehmlich ist <strong>die</strong> Wirkweise der allgemeinen Vernunftformen in den<br />
Sprachen der Menschheit mitentscheidend, weil nur ein evidentes Wissen<br />
und Bewusstsein <strong>die</strong>ser Formen dasjenige ermöglicht, was man den<br />
„Dialog der Religionen“ nennt, ein Unternehmen, das nicht vor- oder<br />
untervernünftig sollte betrieben werden.<br />
Daß mittlerweile alle Religionen den Anspruch erheben, „<strong>die</strong> Vernunft“<br />
anerkennen und „verwenden“ zu können und zu sollen, zeigt <strong>die</strong> Stunde<br />
der Entscheidung an. Im Grunde muß jede Theologie jeder Religion,<br />
ebenso jeder Atheismus in Theorie und Praxis, bestimmte Arrangements,<br />
Adaptionen und Vereinigungen mit den „allgemeinen Formen“ der<br />
Vernunft und ihren Inhalten („Gedankenbestimmungen“) eingehen.]<br />
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